Naturwissenschaftler statt Verkäufer: Über Evidenz am HV

Keiner von uns mag es, für einen besser bezahlten Verkäufer gehalten zu werden. Wenn wir als das gesehen werden wollen, was wir sind – nämlich Fachleute für Arzneimittel – sollten wir unser Wissen im Handverkauf nutzen, und zwar ohne Wenn und Aber. 

Guten Tag, ich leide unter XY, können Sie mir etwas empfehlen?” 

Guten Tag, kein Problem! Nehmen Sie einfach dieses Präparat hier!”

Dieses? Warum empfehlen Sie mir das? Das hat keine nachgewiesene Wirkung, das sollten doch gerade Sie als Apotheker wissen!”

Es hat vielleicht keine nachgewiesene Wirkung, aber mir hat es immer gut geholfen!”

Meine Follower auf Twitter berichten immer wieder, dass sie genau solche Dialoge in der Apotheke geführt haben und dass sie schwer enttäuscht davon waren: Offenbar nahm die Apothekerin oder der Apotheker ihr Anliegen nicht ernst und wollte sie nur mit einem Placebo abspeisen. Ich bin gerne Apotheker und deshalb kann ich es nicht leiden, wenn jemand ein schlechtes Bild von uns hat. Noch weniger kann ich es allerdings leiden, wenn das schlechte Bild gerechtfertigt ist. 

Keiner von uns mag es, für einen besser bezahlten Verkäufer gehalten zu werden. Nichts gegen Verkäufer, aber wir haben schließlich Pharmazie studiert, ein Studium, das wir ohne Verständnis für die Naturwissenschaften kaum bestehen könnten. Sicher, man könnte sich irgendwie durchmogeln und den Stoff hauptsächlich auswendig lernen, ohne ihn überhaupt verstanden zu haben. Die meisten von uns dürften aber nach dem Studium ein breitgefächertes naturwissenschaftliches Verständnis besitzen. Und genau das macht eine Apotheke zu einem Ort der Naturwissenschaften. Könnte man zumindest meinen.

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Leider ist das aber ganz und gar nicht so, denn die Apotheken sind voll mit Produkten, die höchstens auf dem Papier Arzneimittel sind und leider keine Wirkung aufweisen können, die über den Placeboeffekt hinausgeht. Dass es solche Produkte überhaupt gibt, ist kein Wunder, denn schließlich lässt sich damit jede Menge Geld verdienen. Aber warum haben wir sie dann in der Apotheke? Weil wir damit auch jede Menge Geld verdienen wollen? Oder nur, weil die Kunden sie haben wollen? Sollten wir nicht eher von diesen Produkten abraten, statt sie aktiv zu empfehlen?

Mit Evidenz gegen die Onlineapotheken

Wenn wir als das gesehen werden wollen, was wir sind – nämlich Fachleute für Arzneimittel – sollten wir unser Fachwissen im Handverkauf nutzen, und zwar ohne Wenn und Aber. Es liegt in unserem Interesse, dass sich Kunden hundertprozentig auf unsere Empfehlung verlassen können. Auf diese Weise können wir uns von den gefürchteten Arzneimittelversendern abgrenzen, denen das herzlich egal ist.

Wenn ein Kunde durch unsere evidenzbasierte Beratung ein Präparat nicht kauft und somit sein Geld nicht unnötig verschwendet, wird er uns dankbar sein und eher zurückkommen, als ein Kunde, dem wir etwas empfohlen haben, was sich später als teures Placebo-Präparat herausgestellt hat.

Ich hatte eine Kollegin, die sich immer extrem viel Zeit für ihre Kunden genommen hat, aber ein Großteil ihrer Beratungsgespräche endeten damit, dass der Kunde mit etwas nach Hause ging, das sie zwar als Arzneimittel bezeichnen würde, die Wissenschaft aber nicht. Qualität sollte immer über Quantität gehen. Nur so werden wir respektiert und als die Fachleute angesehen, die wir sind. Allerdings scheinen das nicht alle meiner Kolleginnen Kollegen so zu sehen, da ich mich mit dieser Einstellung bei einigen von ihnen äußerst unbeliebt mache. Warum das so ist, konnte ich noch nie wirklich nachvollziehen.

In Liebe, #DerApotheker

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