Spricht man von einem schwachen Beckenboden, denken die meisten wohl an eine vorangeganene Geburt, die diesen bedingt. Doch wie jeder andere Muskel kann auch der Beckenboden einfach mit der Zeit schwächer werden.
Dies kann unabhängig von Alter und Geschlecht geschehen und das alltägliche Leben spürbar erschweren.
Beim Beckenboden handelt es sich um eine dünne, schalenförmige Muskelgruppe, die sich im unteren Teil der Bauch-Becken-Höhle befindet.
Der Beckenboden beeinflusst viele Körperfunktionen
Er unterstützt die Beckenorgane, wozu neben der Vagina ebenfalls die Gebärmutter, das Rektum, die Blase sowie die Harnröhre zählen. Dementsprechend werden auch die Funktionen dieser Organe durch den Beckenboden beeinflusst.
Ein schwacher Beckenboden ist nicht nur ein Frauenthema
Die Beckenbodenmuskeln müssen also permanent extrem hart arbeiten. Doch wie bei jedem anderen Muskel, kann diese Belastung auch dazu führen, dass der Beckenboden geschwächt oder zu sehr angespannt wird.
Ein geschwächter Beckenbodenmuskel kann demnach auch ohne vorangegangene Geburt auftreten – auch bei Männern!
„Personen, die keine Kinder haben, sind nicht automatisch immun gegen Beckenschmerzen, Inkontinenz und andere Formen von Beckenfunktionsstörungen“, erklärt die Fachärztin für Physiotherapie und Beckengesundheit, Karah Charette, gegenüber POPSUGAR.
„Andere Ereignisse im Leben wie Operationen, Verletzungen oder schwerer Stress können ebenfalls zu Problemen mit dem Beckenboden führen.“
Einen schwachen Beckenboden erkennen
Die häufigsten Symptome, die bei einem schwachen Beckenboden auftreten sind:
- Harninkontinenz sowie Stressinkontinenz (Urinverlust beim Husten, Niesen oder Sport)
- Schmerzen im Beckenbereich oder beim Urinieren
- Gefühle einer unvollständigen Entleerung der Blase oder des Darms
- Schwierigkeiten mit der Darmkontrolle
- Beckenorganprolaps (hierbei fallen die Beckenorgane aus dem Becken nach vorne)
- Schmerzen beim Sex oder dem Orgasmus
Es gibt auch weniger verbreitete Symptome, auf die dennoch geachtet werden sollte:
- Schmerzen im unteren Rücken oder in der Hüfte ohne erklärbare Ursache
- Hoden-, Leisten- oder Beckenschmerzen
Nicht ohne Plan lostrainieren
Im Internet gibt es zahlreiche Tipps und Übungen, die diese Körperregion besonders stärken sollen. Wer den Verdacht hat, selbst eine geschwächte Beckenbodenmuskulatur zu haben, sollte jedoch nicht einfach so drauf los trainieren.
Wie bei jedem anderen Training kann es nämlich auch hierbei vorkommen, dass die Beckenbodenmuskeln zu stark beansprucht werden. Idealerweise sollte deshalb immer nach einem personalisierten Behandlungsplan vorgegangen werden.
„Es ist am besten, den Beckenboden auf angemessene Kraft und Koordination zu trainieren“, erklärt die Physiotherapeutin Jenna Walton. Dabei sei nicht nur wichtig zu wissen, wie man den Beckenboden zusammenziehen kann. Auch ihn zu entspannen, will gelernt sein.
„Wenn sich der Beckenboden ohne angemessene Koordination zusammenzieht, kann es vorkommen, dass der Muskel eine Krampfreaktion auslösen“, erklärt die Expertin.
„Dies kann ziemlich kontraproduktiv sein, da sich überaktive Muskeln nicht zusammenziehen können. Das kann im Laufe der Zeit zu einer fortschreitenden Schwächung führen.“
Ein achtsames und sanftes Vorgehen
Die Urologin an der Indiana University Health, Dr. Helen Bernie, erklärt gegenüber POPSUGAR, dass tägliche Dehnübungen eine der besten Möglichkeiten zur Stärkung des Beckenbodens sind.
Denn sie helfen besonders gut dabei, ein Bewusstsein für die arbeitenden Regionen zu schaffen – so können die Muskelstränge besser entspannt oder zusammengezogen werden.
„Dehnen hilft, die Muskeln zu entspannen und aufgebauten Stress sowie Verspannungen abzubauen.“ Laut der Expertin sei Pilates eine gute Trainingsform, die den Beckenbodenmuskel positiv beeinflussen kann. Auch sanftes Yoga eignet sich dementsprechend gut.
Sollten während der Ausübung jedoch Schmerzen auftreten, rät die Expertin dazu, einen Arzt aufzusuchen, um das weitere Vorgehen zu besprechen.
Übungen zur Stärkung des Beckenbodens
Es gibt einige Übungen, die den Beckenbodenmuskel fast automatisch ansprechen und die ganz einfach in die normale Workout-Routine eingebunden werden können. Damit die Übungen auch die gewünschte Wirkung erzielen, sollten die Übungen langsam und bedacht durchgeführt werden.
Und noch einmal: Sollten Schmerzen während der Ausführung auftreten, sollte das Training direkt abgebrochen werden. Vor allemfrisch gebackene Mütter sollten keine Übung ohne vorherige ärztliche Absprache durchführen.
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Vorsicht bei übermäßigen Kegel-Übungen
Eine weit verbreitete Methode, um die Beckenbodenmuskulatur zu stärken, sind die sogenannten Kegel-Übungen. Bei diesen werden die Muskelstränge im Becken für gewisse Zeit gezielt angespannt.
Charette gibt jedoch zu bedenken, dass ein schwacher Beckenboden nicht einfach so durch das übermäßige Ausführen dieser Übungen ausgeglichen werden sollte.
„Die meisten Menschen führen die Übungen falsch aus. Und selbst wenn sie in der Lage sind, sie korrekt auszuführen, ist dies möglicherweise nicht die beste Lösung“, erklärt die Expertin.
„Ein Großteil der Bevölkerung läuft mit einem engen, angespannten Beckenboden herum. In diesen Fällen können die Übungen tatsächlich mehr Schaden verursachen als Nutzen.“
Dies könne zu erhöhten Beckenschmerzen, sexueller Dysfunktion,Inkontinenz oder sogar Harnverhalt führen. Aus diesem Grund sei es wichtig, von einem Arzt untersucht zu werden, um zu verstehen, was der Körper benötigt. Gleiches gilt für den Einsatz von zu schweren Liebeskugeln.
Cornelia Bertram, Tina Klostermeier
*Der Beitrag „Kein Tabuthema: Anzeichen und Training für einen schwachen Beckenboden“ wird veröffentlicht von FitForFun. Kontakt zum Verantwortlichen hier.
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