So machen Masern anfälliger für Krankheiten

Die meisten Kinder, die die Masern durchmachen, erholen sich schnell scheinbar gut von der Krankheit. Doch wenn der typische Ausschlag der Krankheit schon verschwunden ist und das Fieber längst abgeklungen, wirkt die Infektion immer noch nach: Masern schwächen die Immunabwehr langfristig und machen Betroffene deshalb anfälliger für andere Infektionskrankheiten.

Ein internationales Forscherteam um den Bostoner Wissenschaftler Michael Mina hat diesen Effekt der Masernviren genauer untersucht. Die Experten sprechen im Fachblatt „Science“ von „immunologischer Amnesie“.

Die Gruppe konnte in den Niederlanden 77 Blutproben von ungeimpften Kindern sammeln – bevor und nachdem diese an den Masern erkrankt waren. In diesen Proben suchten sie nach spezifischen Antikörpern gegen Viren und Bakterien. Diese stellen einen wichtigen Baustein im Kampf gegen Infektionskrankheiten dar. Die Masernerkrankung reduzierte die Vielfalt der Antikörper drastisch, im Schnitt war sie rund sieben Wochen nach der Infektion um 33 bis 40 Prozent gesunken.

Die passgenauen Antikörper helfen, einen bestimmten Krankheitserreger schnell zu erkennen und effektiv zu bekämpfen. Ohne sie sinkt die Widerstandskraft gegen die entsprechende Krankheit. Die Produzenten dieser Antikörper sitzen im Wesentlichen im Knochenmark. Es sind spezialisierte Zellen, die vom Masernvirus angegriffen werden und deshalb absterben.

Fahndungsfotos – voller Löcher

„Sie können sich ihre Immunität gegen Krankheitserreger wie ein Buch vorstellen, in dem Fotos von Kriminellen kleben“, sagt Mina. „Stellen Sie sich nun vor, jemand hat eine Menge Löcher eingestanzt. Jetzt wäre es viel schwerer, die Kriminellen zu erkennen.“

Zwar baut sich die Antikörpervielfalt mit der Zeit wieder auf, weil der Körper bei erneutem Kontakt mit den jeweiligen Erregern neue Antikörper entwickelt – doch können die Krankheiten in dieser Zeit eben heftiger ausfallen. „Wir haben sehr starke Belege erarbeitet, dass das Masernvirus wirklich das Immunsystem zerstört“, sagte der an der Studie beteiligte Forscher Stephen Elledge.

Zum Vergleich analysierten die Forscher weitere Blutproben, unter anderem von Kindern, die nicht an den Masern erkrankten. Sie verloren im Laufe eines Jahres lediglich etwa zehn Prozent der bei der ersten Untersuchung nachgewiesenen, passgenauen Antikörper. Ein gewisser Verlust bestimmter Antikörper ist also normal. Der dramatische Schwund durch die Masern geht jedoch deutlich darüber hinaus.

Ein Experiment an Rhesusaffen bestätigte zudem, was die Forscher bei den Kindern beobachtet hatten: Auch die Tiere büßten durch die Masern einen großen Teil ihrer schützenden Antikörpervielfalt ein.

Eine weitere, in „Science Immunology“ veröffentlichte Studie zeigt zudem, dass die Vielfalt der sogenannten B-Gedächtniszellen nach einer Maserninfektion sinkt. Auch dies trägt zur schädlichen Amnesie des Immunsystems nach der Erkrankung bei.

Die Masernimpfung hat diesen schädlichen Effekt nicht

Mithilfe weiterer Tests klärte die Gruppe um Michael Mina ab, ob die Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln wie die Krankheit selbst negativ aufs Immunsystem wirkt. Sie entdeckten keine Anzeichen dafür.

„Diese neuen Erkenntnisse erklären den Mechanismus der Immunschwäche und die beobachtete vermehrte Infektionsanfälligkeit nach einer Maserninfektion“, sagt der Kinder-Infektiologe Johannes Trück vom Universitäts-Kinderspital Zürich in der Schweiz. Sie erinnerten damit an die Wichtigkeit eines konsequenten Masernimpfschutzes.

In Europa haben sich die Masernfälle zuletzt verdoppelt, weltweit sogar verdreifacht. Einer der Gründe ist der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge Impfmüdigkeit. Eigentlich sollte die Krankheit durch konsequentes Impfen bis 2020 ausgerottet werden

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