Neuer Bluttest will Alzheimer 20 Jahre vor den ersten Symptomen erkennen

Ob die eigene Vergesslichkeit ein Warnsignal für Alzheimer ist, lässt sich kaum vorhersagen. Auch Hirnscans zeigen Veränderungen erst, wenn die Krankheit ausgebrochen ist. Ein neuartiger Bluttest soll das jetzt schon zwei Jahrzehnte früher schaffen.

Die gefürchtete Alzheimer-Krankheit beginnt Jahrzehnte, bevor die Betroffenen Symptome des Hirnabbaus zeigen. Ist die Krankheit ausgebrochen, lässt sie sich nur noch mäßig verzögern oder abmildern. Auch die Angehörigen der Patienten sind dann selten auf die nötigen Veränderungen im Alltag vorbereitet. An einer unkomplizierten Früherkennung der Alzheimer-Demenz arbeiten Wissenschaftler bisher allerdings vergebens.

Derzeit können Veränderungen des Gehirns, die erfolgen, bevor die Symptome von Alzheimer einsetzen, nur mit einer Positronen-Emissions-Tomographie (PET) festgestellt werden. Auch eine Messung von Amyloid- und Tau-Proteinen in der Zerebrospinalflüssigkeit (CSF) ist möglich. Beide Methoden sind aufwendig, teuer und invasiv.

Jetzt haben mehrere Forscherteams auf der Jahreskonferenz der amerikanischen Alzheimer's Association Studien über Fortschritte bei Bluttests vorgestellt. Einer davon eröffnet die Möglichkeit, schon 20 Jahre vor Einsetzen der Demenz-Symptome Veränderungen im Gehirn zu erkennen. Die Studie wurde aktuell im „Jama Network“ veröffentlicht. Wissenschaftler schätzen, dass er in zwei bis drei Jahren auf den Markt kommen könnte.

Bluttests zielen auf Tau-Proteine im Gehirn ab: P-Tau217 und P-Tau181

Generell sind Veränderungen der Proteine Amyloid und Tau die entscheidenden Zeichen von Alzheimer im Gehirn. Es wird angenommen, dass die Tau-Bündel die Amyloid-Ablagerungen begünstigen. Besondere Aussagekraft für die Alzheimer-Entstehung hat dabei der Spiegel von P-Tau217.

Dieses Tau-Protein ist besonders charakteristisch für Alzheimer und zeigt als erstes messbare Veränderungen. Es ist bei Alzheimer siebenfach erhöht. Der Anstieg beginnt rund 20 Jahre vor dem Einsetzen kognitiver Einschränkungen – das ist zumindest von Patienten mit genetisch bedingtem Alzheimer bekannt.

Die Wissenschaftler um Oskar Hansson von der schwedischen Universität Lund kamen in ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass „die Genauigkeit der Diagnose mittels P-Tau217 im Blut genauso hoch war wie etablierte Diagnosemethoden, darunter Bildgebung mittels Positronen-Emissions-Tomographie (PET) und Zerebrospinalflüssigkeit-Biomarker“.

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P-Tau217 im Blut erkennt Alzheimer mit hoher Genauigkeit

Sie untersuchten für ihre Arbeit drei unterschiedliche Gruppen mit insgesamt mehr als 1400 Fällen: Alzheimer-Patienten der schwedischen Biofinder-2-Studie, eine Patienten-Gruppe der Arizona-Studie zu Alterung und neurodegenerativen Erkrankungen sowie Patienten mit genetisch bedingtem Alzheimer aus dem kolumbianisches Verzeichnis von autosomal-dominantem Alzheimer.

Sie analysierten Alzheimer-relevante Biomarker in Blut und Zerebrospinalflüssigkeit (P-Tau217, P-Tau181, Amyloid-beta 42/40 und leichte Neurofilament-Leichtketten) und wiesen mit der PET-Bildgebung Tau- und Amyloid-Verklumpungen nach.

Das wichtigste Ergebnis der Studie lautete, dass P-Tau217 im Blut Alzheimer mit einer Diagnosegenauigkeit zwischen 89 und 98 Prozent von anderen neurodegenerativen Erkrankungen unterscheiden konnte. Damit war P-Tau217 zur Bestimmung von Alzheimer genauer als die anderen untersuchten Biomarker. Die Leistung des Tests ähnelte den Ergebnissen der PET-Bildgebung und den Biomarkern in der Zerebrospinalflüssigkeit.

Studienleiter Oskar Hansson sieht in dem Test mehr als eine frühe Erkennungsmöglichkeit des individuellen Risikos. Er sagt: „Die Diagnose von Alzheimer vor dem Stadium der Demenz ist vor allem für klinische Studien zu neuen Therapien wichtig, die den Verlauf der Erkrankung verlangsamen oder sogar stoppen könnten.“

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Bluttest, der Amyloid und Tau misst, zeigt Krankheitsfortschritt

Einen etwas anderen Ansatz auf dem Weg zu Alzheimer-Tests im Blut verfolgt das Team um Suzanne Schindler von der Washington University in St. Louis. Die Forscher nutzten Massenspektrometrie, um Tau-Proteine im Blutplasma zu kartieren. Die Ergebnisse verglichen sie mit Messungen mittels PET-Bildgebung oder in der Zerebrospinalflüssigkeit.

Sie stellten fest, dass P-Tau217 im Vergleich zum besser bekannten P-Tau181 eine engere Verbindung mit dem Aufbau von Amyloid-Ablagerungen im Gehirn besaß. Außerdem legten die Ergebnisse nahe, dass eine regelmäßige Messung verschiedener P-Tau-Werte im Blut den Ärzten ein genaueres Bild vom Fortschreiten der Erkrankung ihrer Alzheimerpatienten erlaube.

Den Forschern zufolge könnte ein Bluttest, der Amyloid und Tau misst, eine frühere und genauere Diagnose von Alzheimer-Demenz ermöglichen, und dies nicht nur bei Probanden in der klinischen Forschung, sondern auch bei Patienten in der Praxis.

Bluttest statt PET: günstiger, einfacher und überall verfügbar

Auch Elisabeth Thijssen vom Memory and Aging Center der University of California in San Francisco verglich in einer Studie die Tau-Proteine P-Tau181 und P-Tau217 bezüglich ihrer Aussagekraft für eine Alzheimer-Diagnose.

Die Probanden hatten teils eine durch Biomarker bestätigte Alzheimer-Diagnose oder litten an einer neurodegenerativen Erkrankung in den Frontal- und Temporallappen des Gehirns (FTLD). Eine dritte Gruppe bestand aus gesunden Kontroll-Teilnehmern.

Die Alzheimer-Patienten wiesen eine dreifach erhöhte Plasmakonzentration an P-Tau181 gegenüber den beiden anderen Gruppen auf. Der Anstieg von P-Tau217 im Plasma der Alzheimer-Patienten war noch deutlicher: fünffach im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe und vierfach im Verhältnis mit FTLD.

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Den Forschern zufolge zeigt die Studie, dass sowohl P-Tau181 als auch P-Tau217 der Aussagekraft von PET-Scans entsprechen. P-Tau181 besaß eine Genauigkeit von 91 und P-Tau217 eine Genauigkeit von 96 Prozent.

Noch ist keiner der Alzheimer-Bluttests marktreif. Doch die Forscher sind sicher, dass sie auf dem richtigen Weg zu einer günstigen und einfachen Früherkennung sind. Es sei mehr als wahrscheinlich, dass diese Bluttests zur Diagnose von Alzheimer und als Überwachungswerkzeuge in klinischen Studien zur Wirkung neuer Behandlungen von Alzheimer nützlich sind.

„Die Möglichkeit einer Früherkennung und damit einer Behandlung, bevor Alzheimer das Gehirn signifikant geschädigt hat, wäre für Patienten, deren Familien und auch das Gesundheitssystem umwälzende Veränderungen“, kommentierte Maria C. Carrillo, Wissenschaftsleiterin der Alzheimer's Association die Entwicklung bei Alzheimer-Bluttests.

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