Wieso die Infektionszahlen in Italien jetzt erst richtig steigen könnten

Rund 64.000 Infizierte und mehr als 6000 Tote: Nirgends in Europa grassiert das Coronavirus so stark wie in Italien. Bilder aus völlig überlasteten Krankenhäusern sorgen für Entsetzen, Krankenschwestern und Ärzte arbeiten längst weit jenseits ihrer Belastungsgrenzen.

Besonders betroffen ist bislang der Norden des Landes, vor allem die Region Lombardei. Hier gab es mit Abstand die höchsten Infektions- und Todeszahlen. Doch Experten befürchten nun, dass sich das Virus bald auch im Süden rasend schnell ausbreiten könnte — wo die Menschen teilweise noch völlig sorglos mit der drohenden Gefahr umgehen.

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Im Süden flacht die Kurve nicht ab – im Gegenteil

Am Wochenbeginn machten die Zahlen noch Hoffnung: Zum ersten Mal seit Beginn des Ausbruchs vermeldete Italien eine leichte gesunkene Infektions- und Todesrate. Das Problem: Es fallen dabei vor allem die Meldungen aus Norditalien ins Gewicht, wo die drastischen Ausgangssperren der Regierung langsam endlich Wirkung zeigen. 

Im Süden sieht die Situation dagegen ganz anders aus: Hier flacht die Kurve nicht ab – im Gegenteil, sie steigt erst richtig an. Das schürt bei Politikern und Gesundheitsexperten die Angst vor der zweiten großen Welle in Sizilien, Kalabrien, Kampanien, Basilicata und Apulien. „Wir müssen dafür sorgen, dass sich die Notlage nicht auf die Regionen ausbreitet, in denen ihr Ausmaß bisher begrenzt war“, sagte Notfallkommissar Domenico Arcuri am Dienstag.

Ähnlich äußerte sich auch Silvio Brusaferro, Präsident des Nationalen Gesundheitsinstituts ISS: „Wir bemühen uns sehr, zu verhindern, dass sich die Virus-Wachstumskurve der nördlichen Regionen im Süden wiederholt“, so Brusaferro. Das sei nun die größte Herausforderung seines Landes. 

Drei Faktoren könnten das Anschwellen der Corona-Welle im Süden verstärken.

"Wir und Corona"

"Eine Ausgangssperre hat Nebenwirkungen"

1. Die Corona-Flüchtenden

Als vor rund zwei Wochen zum ersten Mal das Gerücht über einen Shutdown des Nordens die Runde machte, sprangen hunderte Einwohner der Lombardei, der Emilia-Romagna und des Piemont in Panik in die Nachtzüge Richtung Süden. Sie befürchteten Ausgangssperren (die schließlich auch kamen) und Versorgungsengpässe (die es bislang nicht gibt) und sahen das Heil in der Flucht – entweder zu Verwandten oder in die eigenen Ferienhäuser, die viele wohlhabende Norditaliener im Süden besitzen.

Bis zum Inkrafttreten der strengen Wohnortwechsel-Verbote der Regierung dauerte es noch einige Tage – in der sich die Corona-Flucht in Richtung Süden fortsetzte. Da die Inkubationszeit beim Coronavirus bis zu zwei Wochen andauern kann, könnten viele der potenziell Infizierten jetzt erst Symptome ausbilden und behandelt werden. Auf ihrer Reise und nach der Ankunft im Süden dürften die meisten von ihnen weitere Menschen angesteckt haben.

2. Die Gastarbeiter

Seit Anfang der Woche sind viele Unternehmen und Fabriken in Italien geschlossen: Premierminister Giuseppe Conte hat alle Firmen dichtgemacht, die nicht systemrelevant sind. Die meisten von ihnen befinden sich im wirtschaftsstarken Norden des Landes. Hunderte Italiener sind dort Gastarbeiter im eigenen Land. Menschen aus den strukturschwachen Gegenden in Kampanien, in der Basilicata und aus Kalabrien. 

Da Wohnortwechsel unter gewissen Umständen in Italien bisher weiter erlaubt sind, dürften viele von ihnen jetzt in ihre Heimatorte zurückkehren. Weitere Ansteckungen drohen.

3. Die Regelbrecher

Viele Süditaliener sind sich der Gefahren des Coronavirus nicht bewusst. Der Norden scheint weit weg zu sein, die Ausgangsverbote werden daher oft ignoriert, das Risiko einer Ansteckung wird billigend in Kauf genommen. Der Bürgermeister von Bari brachte die Situation im Süden vor wenigen Tagen auf den Punkt. Er rief einigen Spaziergängern, die trotz Ausgangssperre am Strand unterwegs waren, zu: „Das, was in Mailand oder Bergamo passiert, das ist kein Film. Das passiert wirklich. Die Leute sterben.“

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Die Sorglosigkeit der Süditaliener alarmierte am Dienstag auch Notfallkommissar Arcuri: „Die Mehrheit der Italiener respektiert die Regeln schon. Aber wir flehen jetzt alle Italiener an, sie einzuhalten.“

Mehr als zwei Millionen Kontrollen

Italiens Polizei hat seit Einführung der Ausgangsverbote vor zwei Wochen mehr als zwei Millionen Menschen kontrolliert. Das meldete die Nachrichtenagentur Ansa am Dienstag unter Berufung auf das Innenministerium in Rom. Zwischen 11. und 23. März seien demnach gut 2,2 Millionen Menschen überprüft worden, außerdem mehr als eine Million Läden.

Wie es hieß, gab es mehr als 100.000 Anzeigen. Die meisten von ihnen wegen Verstößen gegen die Ausgehverbote. 

Quellen: „La Repubblica“, Italienisches Datencenter, Nachrichtenagenturen ANSA, DPA

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