Sprengt Omikron die Labor-Kapazität? Rechnung zeigt, wann uns die PCR-Tests ausgehen

Die Omikron-Variante könnte die Infektionszahlen in Deutschland rasant noch oben treiben. Experten fürchten, dass die Textkapazitäten dann womöglich nicht mehr ausreichen, um alle Fälle auszumachen. FOCUS Online zeigt, ab welchem Wert ein Engpass droht.

Omikron verbreitet sich mit rasanter Geschwindigkeit. Lag der Anteil der Variante an der Gesamtzahl der positiven Tests in der Woche vor Weihnachten noch bei rund 16 Prozent, waren es zuletzt bereits über 44 Prozent. Das zeigen die jüngsten Daten des Robert-Koch-Instituts (Stand: Kalenderwoche 52, bis 2.01.). Damit könnte die Mutation die bislang in Deutschland vorherrschende Delta-Variante schon bald verdrängen. Außerdem wird sie laut Prognosen zu enorm hohen Fallzahlen führen.

Aus diesem Grund warnen Deutschlands größter Ärzteverband Marburger Bund sowie einige Testlabore nun vor Engpässen bei PCR-Tests – und das aus zwei Gründen. Zum einen fürchtet der Verband hohe Infektionszahlen bei den Medizinern selbst, die zu Ausfällen führen können. Zum anderen kann es passieren, dass die Zahl der zur Verfügung stehenden Tests nicht mehr ausreicht, um alle zu testenden Proben zu untersuchen. 

Sorge vor Infektionen bei Beschäftigten in Laboren

"Die Omikron-Variante wird auch zu mehr Infektionen bei Beschäftigten in den Laboren führen", sagte etwa die Vorsitzende des Ärzteverbands, Susanne Johna, den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). Es sei also damit zu rechnen, dass die PCR-Testkapazitäten in Deutschland bald nur noch "eingeschränkt" zur Verfügung stehen. Dies sei schon jetzt in anderen Ländern zu sehen.

"Wir brauchen deshalb einen Plan B, um die Quarantäne- und Isolationsregeln zu verkürzen", forderte Johna und schlug vor: "Möglich wären zwei Antigentests in Folge, mit denen man sich freitesten kann." Die Vorsitzende des Ärzteverbands betonte, dass grundsätzlich PCR-Tests eingesetzt werden sollten. "Aber wenn wir das Ergebnis erst nach vier Tagen haben, ist ein PCR-Test für den Klinikalltag nicht mehr sinnvoll."

Experten prognostizieren enorm hohe Fallzahlen durch Omikron

Wegen der erwarteten Menge an Tests schlagen zudem manche Testlabore Alarm. Der Sprecher der Testfirma Bioscentia, Hendrik Borucki, verwies gegenüber dem Portal "ZDFheute.de" auf Modellrechnungen mit bis zu 600.000 täglichen Neuinfektionen bei einer Omikron-Welle in Deutschland. "Wenn man von einer Positiv-Rate von 30 Prozent ausgeht, bedeutet das zwei Millionen Tests pro Tag. So viele Tests gibt es einfach nicht", sagte er.

Auch Statistikerin Katharina Schüller prognostizierte auf Nachfrage von FOCUS Online die Omikron-Fallzahlen für Deutschland. Ihrer Rechnung nach stünden wir bereits Ende Januar im schlimmsten Fall bei rund 435.000 Fällen täglich. Die Zahlen hätten sich dann im Vergleich zu heute mehr als versiebenfacht.

  • Lesen Sie auch: Omikron-Prognose von Statistikerin: "Im Worst-Case haben wir 435.000 Fälle pro Tag"

Rechnung zeigt, wann PCR-Kapazitäten nicht mehr ausreichen

Das Bundesgesundheitsministerium hält Engpässe ebenfalls für möglich. "Bei sehr hohen Fallzahlen wird man gegebenenfalls dazu übergehen müssen, eine Diagnose rein symptom- beziehungsweise antigenschnelltest-basiert zu stellen, also auf eine PCR-Diagnostik bei bestimmten Personengruppen zu verzichten", teilte das Ministerium "ZDFheute.de" mit. Deutschland werde allerdings nicht "im Chaos landen", hieß es aus dem Ministerium. Es gebe derzeit eine Kapazität für 2,4 Millionen PCR-Tests pro Woche.

Das mag nach vielen Tests klingen. Betrachtet man aber die Prognose der Fallzahlen, bedeutet es: Uns stehen im Augenblick gerade einmal so viele Tests pro Woche zur Verfügung, wie wir sie zum Höhepunkt einer Omikron-Welle pro Tag bräuchten. Und selbst wenn die Zahl der zur Verfügung stehenden Tests konstant bliebe, gehen uns ab etwa 105.000 Neuinfektionen pro Tag die PCR-Tests aus. Das zeigt eine einfache Rechnung:

  • Würden die 2,4 Millionen Tests gleichmäßig auf die Wochentage verteilt, entspräche das rund 350.000 Tests pro Tag.
  • Wir nehmen auch hier eine Positiv-Rate von 30 Prozent an, 30 Prozent von 350.000 Tests sind 105.000.
  • Daraus folgt: Sobald wir mehr als 105.000 neue Infektionen pro Tag haben, sind die Testkapazitäten ausgeschöpft.

Ab diesem Zeitpunkt würden theoretisch keine weiteren Neuinfektionen mehr gemeldet, selbst dann, wenn die Zahl tatsächlich über diesem Wert liegt. Wann wir diesen Wert der Neuinfektionen erreichen, hängt von den Maßnahmen ab, die Deutschland in den kommenden Wochen ergreifen wird und wie sich jeder Einzelne verhält.

Hinweis: In der Realität werden an den Wochenenden weniger Tests durchgeführt als unter der Woche. Diese Rechnung dient daher nur als Beispiel und zur Veranschaulichung der Kapazitäten, die Werte sind gerundet.

Nicht nur in Deutschland werden die PCR-Tests knapp

Deutschland ist nicht das einzige Land, in dem die PCR-Tests bald knapp werden könnten. Auch in der Schweiz ist die Kapazität bald erreicht, wie das Nachrichtenportal "Nau" berichtet. Dort liege die Kapazitätsgrenze im Augenblick bei rund 100.000 Tests pro Tag, wie Patrick Mathys, Leiter Sektion Krisenbewältigung beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) dem Portal sagte.

Am Donnerstag seien dort landesweit bereits mehr als 96.000 Tests durchgeführt worden, die Grenze sei also bald erreicht. Hinzu komme, wie das BAG dem Nachrichtensender "SFR" sagte, dass diese Kapazität von 100.000 nur kurzfristig aufrecht erhalten werden könne. Die Grenze könnte aufgrund von Personalmangel auf 80.000 sinken.

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