Sport verlängert Leben

Kurze, intensive Bewegungseinheiten senken das Risiko für Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen und lassen länger leben. Doch wann gilt eine Bewegung als „intensiv“ und wie „kurz“ genügt?

Man soll sich bewegen. Vor allem auch den Alltag dafür nutzen – Treppen statt Aufzug, Fahrrad anstelle von Auto oder Bus. Doch neben diesen sportlichen Alltagshelfern sollten wir uns auch intensiver betätigen, um den Körper gesund zu halten und Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorzubeugen. Mit 15 bis 20 Minuten intensiver körperlicher Aktivität kommt man aber schon weit – und das pro Woche.

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Vor kurzem veröffentlichten Wissenschaftler im „European Heart Journal“ Daten dazu („Vigorous physical activity, incident heart disease, and cancer: how little is enough?“). Sie hatten 71.893 Erwachsene (Alter im Mittelwert: 62,5 Jahre, 55,9 Prozent weiblich aus der UK-Biobank-Kohorte) mit Bewegungsmessern am Handgelenk versehen, die diese für sieben Tage ununterbrochen tragen sollten (Zeitraum der Messung: 2013–2015). Die Studienautoren werteten einen Tag allerdings erst dann als Beobachtungstag, wenn der Proband den Handgelenksmesser mindestens 16 Stunden getragen hatte. Auch nutzten die Wissenschaftler nur Daten von Studienteilnehmern, die von sieben Tagen mindestens vier gültige Überwachungstage erreicht hatten. Den wöchentlichen Endwert der körperlichen Aktivität errechneten sie aus der Summe der einzelnen Aktivitäten. Im Durchschnitt trugen die ausgewerteten Teilnehmer den Sensor für 6,7 Tage und für 22,8 Stunden täglich.

Die Bewegungsmesser zeichneten auf, wie viele Minuten pro Woche sich die Studienteilnehmer intensiv körperlich bewegten (VPA = Vigorous Physical Activity) und wie häufig sie kurze VPA-Intervalle von höchstens zwei Minuten absolvierten. Dabei zählt körperliche Bewegung dann als „intensiv“, wenn man dabei mindestens sechs metabolischen Äquivalente (METs) an Energie verbraucht.

Gut zu wissen: Metabolisches Äquivalent

Mithilfe des metabolischen Äquivalents (MET) lässt sich der Energieverbrauch eines Menschen bei unterschiedlichen Aktivitäten vergleichen. Dabei ist ein metabolisches Äquivalent definiert als der Sauerstoffverbrauch eines 40-jährigen Mannes mit 70 kg Körpergewicht in Ruhe: 3,5 ml Sauerstoff pro Kilogramm Körpergewicht pro Minute (bei Frauen 3,15 ml/kg KG/min). Einfacher vorstellbar ist die Definition über den Kalorienverbrauch: 1 MET entspricht dann einer Kilokalorie pro Kilogramm Körpergewicht pro Stunde.

Damit erhöht sich je nach Intensität der körperlichen Bewegung auch der Sauerstoff- beziehungsweise Energieverbrauch entsprechend, sodass man bei mittlerer körperlicher Aktivität auf drei bis unter sechs metabolische Äquivalente kommt, intensive körperliche Bewegung fordert mindestens sechs MET.

Wie wirkt sich intensive körperliche Aktivität auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen (CVD), Krebs und die Sterblichkeit aus? Dafür schauten sich die Wissenschaftler 2021 – also ein paar Jahre nach der Aktivitätsdatenerhebung – die Studienteilnehmer unter diesen Gesichtspunkten erneut an. Sie hatten sich im Median 16,5 Minuten pro Woche intensiv körperlich betätigt und kurze VPA-Einheiten (maximal zwei Minuten) 13-Mal pro Woche geschafft. Welche Sportdosis war hilfreich?

Intensive körperliche Aktivität von 10 bis 30 Minuten verringerte die Gesamtsterblichkeit und die Sterblichkeit aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen der Studienteilnehmer um ein Drittel. Auch wirkten sich 10 bis 30 Minuten intensiver körperlicher Betätigung auf das Auftreten von Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen aus: Sie kamen lediglich halb so häufig vor wie bei Studienteilnehmern, die sich nicht intensiv körperlich bewegten.

Was ist das Optimum?

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass etwa 53 Minuten wöchentliches VPA mit einer um 36 Prozent niedrigeren Gesamtsterblichkeit verbunden war, mehr VPA führte laut den Wissenschaftlern nur zu „bescheidenen zusätzlichen positiven Assoziationen“. Das ist insofern interessant, als nicht zuletzt die WHO-Leitlinie und die amerikanische Leitlinie zur körperlichen Aktivität derzeit 75 Minuten VPA pro Woche empfehlen.

VPA in den Leitlinien

Bereits jetzt erkennen WHO, die Vereinigten Staaten, Kanada und das Vereinigte Königreich in ihren aktuellen Leitlinien für körperliche Aktivität erstmals den Nutzen kurzer, intermittierender körperlicher Aktivitäten (z. B. <5 Minuten) an, um das empfohlene Bewegungsziel zu erreichen. Die Weltgesundheitsorganisation („Guidelines: World Health Organization 2020 guidelines on physical activity and sedentary behaviour“) rät seit 2020, dass man sich pro Woche 150 bis 300 Minuten mäßig bis intensiv körperlich (MVPA) oder 75 bis 150 Minuten intensiv körperlich (VPA) betätigen sollte oder aber beide Aktivitätsarten kombiniert. Diese Empfehlung deckt sich mit der „Aktivitäts-Leitlinie“ der Vereinigten Staaten von 2018 („JAMA“: „The Physical Activity Guidelines for Americans“).

15 bis 20 Minuten pro Woche intensiv trainieren

Wie sieht es mit der Mindestdosis aus? Hier waren bereits etwa 15 Minuten VPA pro Woche mit einem um 16–18 Prozent niedrigeren Gesamt- und Krebssterblichkeitsrisiko verbunden. Erstaunlich: Nur fünf Minuten mehr Training (VPA) senkten die Sterblichkeit aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen um 40 Prozent.

Auch mehrmals kurze Einheiten helfen

Die Krux könnte nun jedoch sein, dass es gerade Menschen mit kardiovaskulären oder Krebs-Risikofaktoren, wie zum Beispiel starkem Übergewicht, schwerfällt, sich 15 oder 20 Minuten am Stück intensiv körperlich zu bewegen. An dieser Stelle gibt es gute Neuigkeiten, denn die Studienautoren fanden in ihrer Untersuchung ebenfalls heraus, dass bereits kurze VPA-Einheiten von bis zu zwei Minuten helfen – wenn man sie über den Tag „sammelt“: Im Durchschnitt gelang es, mit vier täglichen kurzen Einheiten das Sterberisiko um mehr als ein Viertel (27 Prozent) zu senken. „Die Ergebnisse dieser Studie legen nahe, dass kurze VPA-Einheiten das kardiorespiratorische System stimulieren und zu messbaren kardiovaskulären Anpassungen führen können. Dies ist vor allem für Kliniker und Gesundheitsexperten von Bedeutung, die Personen betreuen, die nicht in der Lage oder nicht willens sind, sich auf lange Blöcke anhaltender VPA einzulassen“, finden die Wissenschaftler.

Für die Interessierten

Je mehr Minuten die Teilnehmer in VPA investierten, desto mehr profitierten sie bei der Gesamtsterblichkeit, zumindest bis zu einer Stunde VPA: Ohne VPA lag das absolute Risiko bei 1,60 Prozent, verglichen mit 1,35 Prozent bei 10 bis <30 Minuten und 1,06 Prozent bei 30 bis <60 Minuten VPA. Mehr als 60 Minuten brachten kaum weiteren Benefit (absolutes Risiko 1,05 Prozent).

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Die CVD-Inzidenz verbesserte sich von 4,96 Prozent (kein VPA) auf 4,08 Prozent (10 bis <30 Minuten VPA) und 3,32 Prozent (30 bis <60 Minuten VPA) und 3,29 Prozent (mehr als 60 Minuten VPA). Und auch bei der Krebsinzidenz wirkte sich das Training aus: 2,34 Prozent (kein VPA), 1,94 Prozent (10 bis <30 Minuten VPA), 1,84 Prozent für 30 bis <60 Minuten VPA und 1,86 Prozent für mehr als eine Stunde VPA pro Woche.


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