Von ihrem Freund Jeff hat sich die Australierin Rosie auf 177 Kilo füttern lassen. Sie sagt, sie fühle sich schön und gesund. Angst, ihre Gesundheit zu ruinieren, hat die junge Mutter nicht.
Ein Interview im britischen Frühstücksfernsehen hat viele Zuschauer verstört. Das Liebespaar, mit dem die Gastgeber von "This Morning" sprachen, hat eine ungewöhnliche erotische Vorliebe. Rosie, 23, und Jeff, 25, betreiben Feeding. Seit sie zusammenleben, hat die junge Mutter 76 Kilo zugenommen – exakt das Gewicht, das ihr Freund selbst auf die Waage bringt.
Wenn Jeff seine Freundin füttert, ist das für beide ein erotischer Akt
Die Australierin und der Holländer leben in einer Feeder-Beziehung. Das bedeutet, Rosie lässt sicher füttern und Jeff ist derjenige, der füttert. Für die beiden ist das ein erotisch-sinnlicher Akt. Kennengelernt haben sie sich über ein einschlägiges Forum. Ein Jahr lang kommunizierten sie über Chat und Skype. "In der Zeit haben wir uns wahrscheinlich besser kennengelernt als viele andere Paare. Denn wir haben einander alles erzählt", sagte Jeff, der mittlerweile nach Australien gezogen ist, um Rosie nahe zu sein. Sie ist seine 28. übergewichtige Freundin. Der Sex mit ihr sei der erfüllendste, den er je hatte. Screenshot / Facebook / This Morning Rosie und Jeff lieben sich – gerade weil Rosie 177 Kilo wiegt
Das Interesse für Dicke entsteht in der Kindheit
Feeder sind ein noch relativ unerforschtes Phänomen. "Die sexualisierte Gewichtszunahme ist ein leichtes Ziel für Spott oder Ekel", sagt die Psychologin Kathy Charles von der Edinburgh Napier University in Schottland. Sie ist eine der wenigen Wissenschaftlerinnen, die sich eingehend damit beschäftigt hat, wie Feeder-Beziehungen funktionieren. Sie führte Gespräche mit Paaren, um sich ein Bild von der Dynamik in den Beziehungen zu machen und um herauszufinden, woher die Faszination für Fettleibigkeit bei Feeder (dem Fütternden) und Feedee (der Gefütterten) kommt.
"Alle Befragten haben ein Interesse für Dicke entwickelt, ehe sie in die Pubertät kamen", hat Kathy Charles herausgefunden. Sowohl spätere Fütterer als auch Gefütterte. Einige von ihnen ahmten im Alter von vier oder fünf Jahren dicke Menschen nach, indem sie sich Kissen unter die Kleidung steckten. Etwas später begannen sie damit, das ganze zu verheimlichen oder sammelten Geschichten und Fotos über Menschen, die dick sind. "Damit ist es für mich kein sexuelles Interesse, das im Erwachsenenalter entsteht."
- Feeding, Feeder-Syndrom oder Feederism ist ein Sexualverhalten, bei dem ein Fütterer (Feeder) eine andere Person (Feedee) anfüttert, bis diese deutlich an Gewicht zunimmt. Dabei empfinden beide sexuelle Erregung.
- Bisweilen wird das Phänomen als Paraphilie, also eine psychische Störung, beschrieben, die sich in sexuellen Phantasien äußert, die von der Norm abweichen.
- In seiner Ausprägung reicht es von leichtem Übergewicht bis hin zu extremen Formen von Fettleibigkeit (Adipositas).
- Der Feeder ist meist normalgewichtig, begehrt aber übergewichtige Frauen.
- Das Füttern geschieht meist in gegenseitigem Einvernehmen. Das ganze wird als Ritual zelebriert.
- Der Feeder betrachtet sein Feedee als Fetischobjekt.
- Die Partner erlangen sexuelle Befriedigung dadurch, dass sie den anderen darin bestätigen, noch dicker zu werden beziehungsweise dass sie bereit sind, immer mehr Körperfett zulegen.
- Das andauernde Mästen kann zu gesundheitlichen Problemen führen. Dazu gehören Bluthochdruck, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
"Ich wäre sicher nicht so selbstbewusst, wenn ich dünner wäre"
Angst, dass Rosie mit der bewusst herbeigefutterten Fettleibigkeit ihre Gesundheit ruinieren könnte, hat das Paar aus Australien nicht. Für Rosie und Jeff ist Feeding ihr Lifestyle. Abends, wenn Rosies kleiner Sohn schläft, füttert Jeff seine Verlobte mit Süßigkeiten. "Wir kochen ganz normal, nur dass ich größere Portionen esse als Jeff", gab Rosie Einblick in ihren Alltag, "abends lasse ich mich dann verwöhnen. Ich bin glücklich und fühle mich sehr wohl."
Wie steht es um die Verantwortung um ihre Gesundheit, schließlich ist sie Mutter, wurde Rosie gefragt und zögerte kurz. "Würde ich plötzlich die Diagnose erhalten, dass ich Diabetes habe, würde ich ziemlich sicher etwas dagegen tun." Sie bewege sich viel, gehe Schwimmen ("Ich ziehe einen Bikini an und gehe an den Strand wie jede andere junge Frau.") und achte darauf, nicht mehr weiter zuzunehmen. 177 Kilo ist ihr Wohlfühlgewicht. "Wäre unsere Beziehung morgen vorbei, ich würde so bleiben", ist sich Rosie sicher. "Ich habe das nicht für Jeff getan, ich habe es für mich getan. Ich wäre sicher nicht so selbstbewusst, wenn ich dünner wäre."
"Die Paare wissen ziemlich genau, was sie da tun"
Die Psychologin Kathy Charles war tatsächlich überrascht, wie gut die Paare über die Dynamik ihrer Beziehung und über Details der einzelnen Nahrungsmittel informiert waren. "Sie planen ihr Ritual sehr sorgfältig. Eine Frau beschrieb einen Shake, den sie dafür zubereitet und der 5000 Kalorien hat. So viel brauche sie, um ihr Wunschgewicht zu erreichen." Meist wird der Feeder als dominierender Part in der Beziehung betrachtet. "Ich habe aber festgestellt, dass eher der Partner, der gefüttert wird, bestimmt, was gegessen wird, wie viel oder wie die Mahlzeit zubereitet wird. Der Feedee hat die Kontrolle."
"Man muss sich im klaren darüber sein, dass Feedees nicht abnehmen wollen. Zuzunehmen ist ein Teil ihrer Sexualität", hebt Kathy Charles hervor und hat auch einen Rat an Ärzte, die es mit Menschen zu tun haben, die nicht abnehmen wollen. "Vielleicht sollten wir den Fokus darauf legen, dass sie sich bewegen und etwas fürs Herz-Kreislaufsystem tun, statt sie zu einer Diät zu drängen."
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