Kammerpräsidentin Burs: „Herr Lauterbach, das geht besser!“

Nach dem Sparpaket ist vor der Strukturreform. Wenn diese ansteht, müssen einige Dinge anders laufen als beim GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, fordert die Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen, Cathrin Burs. Minister Lauterbach hält sie an, dann die Apothekerinnen und Apotheker von Beginn an in seine Pläne einzubinden. Denn: „Flächendeckende Arzneimittelversorgung geht nur mit uns, nicht über unsere Köpfe hinweg!“

Mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat Cathrin Burs noch ein Hühnchen zu rupfen. Die Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen kritisierte am gestrigen Mittwoch in Hannover die bereits beschlossene Erhöhung des Kassenabschlags auf 2 Euro für die Dauer von zwei Jahren scharf. Nach allem, was der Berufsstand in der Pandemie für die Bevölkerung getan habe, sei das ein „herber Schlag“, sagte sie. Die Apothekerinnen und Apotheker seinen „zutiefst enttäuscht“ von der Politik und empfänden die Honorarkürzung als Bestrafung.

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Dass es ein Sparpaket geben würde, sei erwartbar gewesen. Doch dass der Minister den Pharmazeutinnen und Pharmazeuten den Gesetzentwurf ohne jeden Dialog „vor die Füße geknallt“ habe, dafür hat Burs kein Verständnis. „Herr Lauterbach, das geht besser!“ Schon bald wird er eine Chance bekommen, dies unter Beweis zu stellen – denn im kommenden Frühjahr droht eine große Strukturreform im Gesundheitswesen. Dann, fordert die Präsidentin, müsse Lauterbach die Apothekerschaft frühzeitig einbinden. Denn: „Flächendeckende Arzneimittelversorgung geht nur mit uns, nicht über unsere Köpfe hinweg!“

Gedankenspielen wie dem der FDP, die 3-Prozent-Marge zu deckeln, hält Burs für brandgefährlich. Es gelte jetzt, die Arzneimittelversorgung zukunftsfest und krisensicher zu machen – solche Ideen seien da absolut kontraproduktiv. Die Hoffnung auf eine Erhöhung des Fixums sei allerdings gering: Sowohl Lauterbach als auch sein Amtsvorgänger Jens Spahn (CDU) hätten diesem Wunsch des Berufsstands eine Absage erteilt. Stattdessen stellten sich beide hinter die pharmazeutischen Dienstleistungen – „hier haben wir die Politik klar hinter uns“, betonte Burs. „Das stärkt uns den Rücken gegenüber Krankenkassen und Ärzten.“

Dass die Apothekerinnen und Apotheker nun selbst eine Vergütung auslösen können, sei „ein Meilenstein in der Weiterentwicklung unseres Berufs“. Vor diesem Hintergrund rät die Präsidentin den Kolleginnen und Kollegen, nicht den allzu spitzen Bleistift anzusetzen und auf die Vollkostenanalyse zu schielen. Die Dienstleistungen seien extrem wichtig für die Zukunft der Apotheken, auch weil sie nicht durch Großkonzerne substituierbar seien. „Wir müssen zeigen, dass die Politik mit der Einführung die richtige Entscheidung getroffen hat und dass der Honorartopf aufgestockt wird.“ Nach aktuellem Stand stehen für die Vergütung der pharmazeutischen Dienstleistungen 150 Millionen Euro im Jahr bereit.

Diesen Ausführungen schloss sich auch Berend Groeneveld, Vorsitzender des Landesapothekerverbands Niedersachsen, an. „Ich kann nur an alle appellieren, die Dienstleistungen auf Gedeih und Verderb umzusetzen“, sagte er. „Denn wenn wir diesen Topf nicht ausschöpfen, werden wir in den kommenden zehn Jahren keine Chance mehr bekommen, an die Politik heranzutreten und mehr Geld zu fordern.“ Diese Chance, so Groeneveld, dürfe der Berufsstand auf keinen Fall verstreichen lassen.

Über den Stand der Umsetzung berichtete Nina Griese-Mammen, ABDA-Abteilungsleiterin für wissenschaftliche Evaluation. Die ABDA beschäftige sich derzeit sehr intensiv mit der Implementierung, berichtete sie. Um noch intensiver als bisher in den Berufsstand hineinzufühlen, was die Apothekerinnen und Apotheker daran hindert, pharmazeutische Dienstleistungen anzubieten, sei geplant, etwa 20 bis 25 „Forschungsapotheken“ anzuwerben, die man intensiv begleiten werde. „Wir wollen wissen, was hilft“, so Griese-Mammen.

Groeneveld warb in diesem Zusammenhang dafür, die neuen Dienstleistungen auch bei der Novellierung der Approbationsordnung mitzudenken – künftig müsse mit dem Erhalt der apothekerlichen Berufserlaubnis auch die Qualifizierung erworben werden, Medikationsanalyse und Co. durchzuführen. Berit Winter, Leiterin der Abteilung Berufe und Apothekenpraxis bei der ABDA, skizzierte in ihrem Vortrag in Hannover, worauf die Beteiligten am Runden Tisch mit ihrem Positionspapier zur Novellierung der Approbationsordnung für Apothekerinnen und Apotheker abzielen: Moderner soll das Studium werden und sich stärker an den Anforderungen orientieren, mit denen junge Kolleginnen und Kollegen im Berufsleben konfrontiert sind. Auch wenn das Papier fertig gewesen sei, bevor der Schiedsspruch zu den pharmazeutischen Dienstleistungen vorlag, habe man die neuen Tätigkeitsfelder durchaus im Blick, betonte sie.

Seit September liegt das Werk im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) vor – inzwischen habe es eine erste Rückmeldung gegeben. „Das BMG hat noch ein paar statistische Daten angefordert, unter anderem zum Thema Mangelberuf.“ Diese Thematik sei also inzwischen auch an den Schreibtischen der Beamten im Ministerium angekommen, sagte Winter. Ein Termin werde zwar in diesem Jahr nicht mehr zustande kommen. Dennoch hofft Winter, dass der Prozess sich nicht so lange hinziehen werde wie bei der PTA-Reform. „Damals hat es drei Jahre gedauert, bis wir erstmals im Ministerium vorsprechen durften.“

Auch wenn mit der Novellierung der Approbationsordnung viele Hoffnungen verbunden sind: Sie allein wird nicht ausreichen, um den Fachkräftemangel im Apothekensektor abzufedern, dämpfte Friedemann Schmidt, Präsident der Sächsischen Landesapothekerkammer, die Erwartungen. Er referierte in Hannover als Präsident des Bundesverbands der Freien Berufe und unterstrich, dass viele Branchen mit vergleichbaren Problemen zu kämpfen hätten. Die Freien Berufe hätten aber einen Trumpf im Ärmel: Kleine Teams, wie sie auch in Apotheken zu finden seien, ermöglichten es, Zugewanderte mit entsprechenden Fachkenntnissen besonders schnell und effektiv einzubinden – damit, so Schmidt, leisteten sie einen wichtigen Beitrag zum Thema Integration. „Das müssen wir auch in der politischen Kommunikation sichtbar machen.“

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