Die Apotheken in Deutschland versuchen immerhin einen Teil der derzeitigen Engpässe bei Kinderarzneimitteln mit Eigenproduktion zu überbrücken und stellen Ibuprofen- und Paracetamol-Suspensionen her. Aber warum eigentlich nicht auch Amoxicillin-Saft, der ebenfalls so gut wie nicht zu bekommen ist? Diese Frage hat sich der Münchener Apotheker Dr. Berthold Pohl gestellt und es ausprobiert. Mit Erfolg, wie er sagt.
Die Eigenherstellung der Apotheken soll in Zeiten massiver Lieferengpässe die Versorgung mit Kinderarzneimitteln sicherstellen. Das haben Politiker verschiedener Parteien eingefordert, zum Beispiel der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). Die Rede ist dabei vor allem von Fiebersäften und -zäpfchen mit Ibuprofen oder Paracetamol. Doch bekanntermaßen fehlen nicht nur Analgetika in kindgerechten Darreichungsformen. Auch Antibiotika, allen voran Amoxicillin-Säfte sind nicht zu bekommen.
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Warum also nicht auch die herstellen, dachte sich Dr. Berthold Pohl, der die Max-Weber-Platz Apotheke in der Münchener Innenstadt betreibt. Gemeinsam mit seinem Laborleiter Christian Fleischhammel, PTA und Pharmakant, machte sich Pohl also daran, eine genießbare Rezeptur aus Tabletten zu entwickeln. Die seien zwar auch knapp, aber immerhin besser zu bekommen als die Säfte, so Pohl.
Süßorangenöl als Geschmackskorrigens
Die Basis der von Pohl und Fleischhammel entwickelten Rezeptur bildet die Grundlage für Suspensionen aus dem NRF (NRF S.52.). Da er über sein Unternehmen Lighthouse Pharma GmbH in Kooperation mit anderen Pharmaunternehmen galenische Entwicklung betreibe und zudem eigene Produkte entwickle, sei sein Labor mit diversen Aromatika ausgestattet. So sei es gelungen, den problematischen Geruch und Geschmack weitestgehend zu maskieren, berichtet er. Und zwar durch Süßorangenöl. Wenn die Einnahme trotzdem noch verweigert wird, empfiehlt der Apotheker und zweifache Familienvater, den Saft unter süßen Joghurt oder Quark zu mischen. „Das funktioniert und ist mit Penicillinen und auch Cephalosporinen kompatibel.“
Amoxicillin Suspension 250mg/55m
- 5 Tabletten aus dem Blister drücken und abwiegen
- 6! Tabletten im Mörser zu feinem Pulver verreiben und die Masse von 5! Tabletten abwiegen
- zu suspendierenden Feststoff bzw. homogenes Feststoffgemisch in Fantaschale vorlegen
- mit etwa gleicher Menge Dispersionsmittel homogen verreiben, begleitet durch häufiges Abkratzen mit dem Kartenblatt
- im Verhältnis 1:1 schrittweise weitere Mengen Dispersionsmittel zugeben und homogen verreiben bis Endmasse erreicht ist
Inprozesskontrollen (soweit durchführbar):
- Ist die Anreibung von Wirkstoff/en und Hilfsstoffen homogen?
- Ist die Suspension homogen?
- Ist die Suspension leicht aufschüttelbar?
- Entsprechen Farbe, Geruch und Beschaffenheit?
Laufzeit: eine Woche in Weithals-Flasche, braun 150 ml
Der Saft ist aber nicht nur genießbar – das hat laut Pohl die organoleptische Prüfung gezeigt – auch die Qualität stimmt offenbar: Die Suspension ist dem Apotheker zufolge nach 24 Stunden Lagerung im Kühlschrank leicht aufschüttelbar, es komme zu keiner Kuchen-Bildung. Den Anteil von Glucose in der Suspensionsgrundlage erachtet Pohl als unproblematisch – Glucose mindert die Stabilität von Amoxicillin. Fertigpräparate von Amoxicillin-Trockensäften enthielten ebenfalls Glucose. Für den fertigen Saft wird eine Aufbrauchfrist von sieben Tagen bei Lagerung im Kühlschrank angegeben. Auch hier sieht sich der Apotheker auf der sicheren Seite. „In der Literatur (US-Pharmacist) werden beim gleichen pH von ca. 5,5 sogar 14 Tage eingeräumt,“ so Pohl.
„Pragmatische Lösungen zum Wohle des Patienten sind unsere Kernkompetenz“
Für Berthold Pohl, der die Apotheke gemeinsam mit seiner Frau betreibt, ist es selbstverständlich, die Engpässe mit Rezepturen zu überbrücken. Behauptungen aus der Politik, Apotheken würden zu wenig Rezepturen herstellen, ärgern ihn. „Das weisen wir grundsätzlich zurück und empfinden es als Unverschämtheit“, so Pohl. Grundsätzlich sieht er wie alle Kollegen das Problem in der deutlich stärkeren Nachfrage nach Rezepturen aufgrund des Mangels an notwendigen Fertigarzneimitteln bei gleichzeitig angespannter Personaldecke. In solchen Situationen pragmatische Lösungen zum Wohle des Patienten zu suchen und zu finden, halten er und sein Team aber für die Kernkompetenz einer öffentlichen Apotheke.
Rezepturen für Ibuprofen- und Paracetamol-Säfte in der Ziegler Rezepturbibliothek
Das ZRB-Modul zum Dr. Lennartz Laborprogramm bietet Rezepturvorschriften zu pädiatrischen Schmerz- bzw. Fiebersäften in verschiedenen Varianten an:
- Ibuprofen-Saft 20 mg/ml oder 40 mg/ml, aus Rezeptursubstanz oder Fertigarzneimittel-Tabletten
- Paracetamol-Suspension 40 mg/ml, aus Rezeptursubstanz oder Fertigarzneimittel-Tabletten
- Paracetamol-Suspension 50 mg/ml, aus Rezeptursubstanz
In den fertig ausformulierten Herstellungsanweisungen finden sich neben den rezepturspezifischen Herstellungsschritten und Inprozesskontrollen auch konkrete Angaben zur Laufzeit sowie Anwendungs- und Warnhinweise. Die gebrauchsfertig vorbereiteten Herstellungsanweisungen können einfach aufgerufen und für die eigene Dokumentation verwendet werden.
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