Im Laufe des Lebens verändert sich unser Schlafverhalten: Babys, Kinder, Jugendliche, Erwachsene und ältere Menschen haben ganz unterschiedliche Bedürfnisse. Ein Blick ins „Schlafzimmer des Lebens“.
Das Schlaf-Wach-Verhalten mit unterschiedlichen Schlafenszeiten könnte von der Wiege bis ins Greisenalter nicht unterschiedlicher sein. Lassen Sie uns also gemeinsam einen Blick in die verschiedenen „Schlafzimmer des Lebens“ werfen. Wann und wie lange sind die Betten belegt? Was sind die besonderen Merkmale des Schlafs im Sturm des Lebens? Welche Herausforderungen müssen die Schläfer – und ihre Angehörigen – bewältigen? Da gibt es einiges zu entdecken! FOL
Über den Experten
Hans-Günter Weeß beschäftigt sich seit mehr als 25 Jahren mit den Themen Schlaf und Schlafstörungen. Er ist Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin sowie Leiter des interdisziplinären Schlafzentrums am Pfalzklinikum Klingenmünster. Weeß hat mehrere Bücher zum Thema Schlaf geschrieben, unter anderem „Schlaf wirkt Wunder“ und „Die Schlaflose Gesellschaft“Schlaf . Zudem hat er das Online-Programm „Fit durch gesunden Schlaf“ entwickelt.
Ausreichend und viel Schlaf ist für die gesunde kindliche Entwicklung und vor allem die Reifung des Gehirns von elementarer Bedeutung. So werden während des Schlafes die Nervenzellen des Gehirns miteinander verschaltet. Je komplexer die Verdrahtung, umso besser die zukünftigen kognitiven, emotionalen und sozialen Fähigkeiten der Kinder.
Was die kindliche Schlafmenge angeht, gibt es – wie bei den Erwachsenen – große Unterschiede: 19 Stunden Schlaf pro Tag können im ersten Lebensmonat ebenso normal sein, wie neuen Stunden. Im Durchschnitt benötigen Säuglinge in diesem Alter zwischen 14 und 16 Stunden Schlummer.
Paradoxerweise kann der neue Erdenbürger in diesem Lebensabschnitt noch nicht richtig schlafen. Das Gehirn ist nämlich noch nicht richtig ausgereift und daher auch noch nicht an den Hell-Dunkel-Rhythmus angepasst. Schlafen und Wachen wird von Hunger und Sättigungsgefühlen gesteuert. Wenn ein Baby Hunger hat, wacht es auf und schreit. Danach schlummert es weiter.
Ein Neugeborenes schläft in Intervallen von drei bis vier Stunden zwischen 15 und 18 Stunden am Tag. Zum Leidwesen der jungen Eltern unabhängig davon, ob es Tag oder Nacht ist. Babys und Kleinkinder können durch dieses scheinbar strukturlose Schlafverhalten regelrechte Schlafräuber sein. Allein in den ersten zwei Lebensjahren des Kindes können Eltern bis zu sechs Monate Schlaf verlieren. Aufgrund dieser Schlafnot sind Eltern teilweise sehr erfinderisch, um ihre Kinder in den Schlaf zu wiegen.
Hier nur ein kleiner Auszug des Ideenreichtums schlafloser Eltern aus meiner beruflichen Praxis:
- Max schlief nur ein, wenn der Fön unter (!) der Bettdecke lief.
- Amelie liebte es einzuschlafen, wenn der Papa sie im Auto stundenlang unter dem Gedudel von Schlafliedern durch die Stadt fuhr.
- Maria wurde in ihrem Maxi-Cosi nur auf der laufenden Waschmaschine müde.
- Tim fiel nur dann in den Schlummer, wenn ihm der nackte Bauch geföhnt wurde. Nur in seltenen Einzelfällen tat es auch einmal eine Fön-App.
- Luisa schlief nur unter der laufenden Dunstabzugshaube in der Küche gut ein.
Interessant ist, dass alle diese gleichermaßen aufwändigen, wie im Einzelfall durchaus erfolgreichen Methoden, den Säugling an die Strömungsgeräusche des Blutes in der Nabelschnur im Mutterleib erinnern können. Es handelt sich also um vertraute Geräusche, die ihn in Sicherheit wiegen, eine beruhigende Wirkung entfalten und ihn damit in den von allen Beteiligten ersehnten Schlaf befördern. Im Internet gibt es eine Fülle von Audio-Dateien mit Mutterleibs-Geräuschen zum Herunterladen. Die Internet-Fan-Gemeinde schwärmt von der beruhigenden und einschlaffördernden Wirkung auf das Baby .
Mit zunehmender Reifung des Gehirns adaptiert das Neugeborene an den Hell-Dunkel-Rhythmus und die Steuerung von Schlafen und Wachen erfolgt in unserem Gehirn durch Tageslicht und Dunkelheit. Das Gehirn ist bei fehlendem Sonnenlicht, besser bei Dunkelheit, in der Lage, das Schlafhormon Melatonin zu bilden. Es macht müde und fördert das Schlafen.
Schon im Verlauf des 1. Lebensjahrs schlafen Kinder überwiegend nachts und haben nur noch vormittags und nachmittags eine kurze Schlafperiode. Im Alter von zwei bis drei Jahren findet am Tag nur noch ein Mittagschlaf statt. Mit Beginn des Kindergartenalters muss nicht selten auch dieses biphasische Schlaf-wach-Verhalten mit einem Mittagschlaf aufgegeben werden.
Das Gehirn hat sich in diesem Lebensalter bereits an den Hell-Dunkel-Rhythmus gewöhnt, die Kinder schlafen in aller Regel durch und der Mittagschlaf verliert zwischen dem dritten und vierten Lebensjahr zunehmend an Bedeutung. Insbesondere bei abendlichen Einschlafschwierigkeiten kann es sinnvoll sein, den Mittagschlaf weiter zu reduzieren oder gänzlich auf ihn zu verzichten. Nach wie vor ist der Schlaf auch in diesem Altersabschnitt von elementarer Bedeutung.
Wichtig zu wissen ist, dass Menschen genetisch bedingt ein unterschiedlich großes Schlafbedürfnis haben und auch in ihren Schlafzeiten variieren. Das gilt auch für Kinder. Kinder im Alter von 3-4 Jahren schlafen durchschnittlich zwischen 11 und 13 Stunden, Kinder mit Beginn des Grundschulalters durchschnittlich zwischen 10 und 12 Stunden. Die hier angegebene Schlafdauer ist eine ungefähre und lediglich zur Orientierung gedacht. Das entscheidende Kriterium für die tatsächlich benötigte Schlafmenge ist das Befinden am Tage. Fühlt sich Ihr Sprössling fit, ausgeschlafen und wirkt psychisch ausgeglichen, war es genügend Schlaf in der Nacht.
In einer amerikanischen Studie konnte gezeigt werden: Wenn im Alter von drei bis sieben Jahren nicht ausreichend geschlafen wird, können Probleme im Denkvermögen und im Sozialverhalten auftreten. Auch das Risiko für körperliche Erkrankungen, psychische Störungen und Übergewicht bleibt erhöht. Obwohl die Kinder jetzt durchschlafen können, kehrt nicht in jedem Kinderzimmer nachts Ruhe ein. Dieser Lebensabschnitt ist die Hochphase der sogenannten Parasomnien.
Darunter versteht man Störungen, die im Zusammenhang mit dem Schlaf auftreten: Monster und Dämonen treiben jetzt in Form von Albträumen und starken unbewussten Angstreaktionen ihr nächtliches Unwesen im Kinderzimmer und rauben sowohl Jung als auch Alt den Schlaf. Das Schlafwandeln treibt die Kinder wie fremdgesteuert aus Bett und Zimmer durch die Wohnung und manchmal sogar aus dem Haus. Dabei handelt es sich in aller Regel nicht um ernsthafte Erkrankungen.
Mit Eintritt in die Pubertät beginnt für den Teenager und seinen Schlaf eine neue Lebensphase. Der Schlaftyp bildet sich aus, jetzt entscheidet sich, ob wir zur Lerche oder zur Eule werden. Das ist aber noch nicht alles. Gleichzeitig ist der Mensch in dieser Lebensphase – und zwar unabhängig vom Schlaftyp – mit seinem Schlaf-Wach-Rhythmus am weitesten nach hinten verlagert.
Mit anderen Worten: er ist am „euligsten“. In keiner anderen Lebensphase wird so spät schlafen gegangen und morgens so spät aufgestanden. Dafür sind jedoch nicht langes Ausgehen und Partys verantwortlich, sie kommen erschwerend hinzu. Es sind biologische Veränderungen, vornehmliche hormonelle Umstellungen, Verschiebungen der Körpertemperatur im Tagesverlauf und Veränderungen im Immunsystem, die den pubertierenden Jugendlichen zur Nachteule machen.
Mit den ausgeprägten körperlichen Veränderungen der Pubertät geht auch ein vorübergehend höheres Schlafbedürfnis einher. Bis zu einer Stunde schlafen Teenager wieder mehr und sogar der Mittagschlaf wird wieder beliebter. Insgesamt können es in dieser Phase neun bis zehn Stunden Schlaf schon sein. Die „Euligkeit“ bleibt nicht ohne Folgen.
Eltern von Pubertierenden kämpfen mit den übellaunigen Sprösslingen schon am Frühstückstisch, es wird herumgemuffelt, geschwiegen oder gestritten. In der Schule sacken die Leistungen teils dramatisch ab, die ersten Stunden am frühen Morgen kann man als Mittel- und Oberstufen-Lehrer oft haken, die Schüler sind zu nichts zu gebrauchen. Hier wäre ein späterer Schulbeginn eine wirksame Maßnahme. Und wenn Sie sich und Ihrer Restfamilie etwas Gutes tun wollen, verzichten Sie auf die Teilnahme des „Pubertiers“ am Sonntagsfrühstück.
Zwischen dem 25. und dem fünfzigsten Lebensjahr verändert sich wenig an der Biologie des Schlafes. Das durchschnittliche genetische Schlafbedürfnis liegt bei sechs bis acht Stunden. Allerdings ist der Schlaf zahlreichen Zwängen und Bedrohungen ausgesetzt. Aufgrund partnerschaftlicher, familiärer und beruflicher Bedingungen, Einflüssen unserer modernen 24-Stunden-Non-Stop-Gesellschaft und unseres Freizeitverhaltens könnte man diesen Lebensabschnitt auch als die Phase des chronischen Schlafmangels bezeichnen.
Der Erwachsene in unserer modernen Zeit ist oft müde und unausgeschlafen. Gleichzeitig schätzt er den Schlaf viel zu wenig. Kann er selbst entscheiden, ob er ins Bett geht, seinen Hobbys frönt, sich mit Freunden trifft oder den Spätfilm noch anschaut, entscheidet er sich selten für den Schlummer. Schichtarbeit, Überstunden, Abendschule, Zweitjobs und Stress tun ihr Übriges.
Wenn Menschen älter werden, ändert sich zwar das Schlafmuster, das Schlafbedürfnis erstaunlicherweise aber nur unwesentlich. Der Traumschlaf (REM-Phase) tritt mit ungefähr 15 Prozent nur ungleich weniger ausgeprägt auf als bei einem jüngeren Erwachsenen. Die Tiefschlafphasen bleiben bei der älteren Frau ebenfalls konstant.
Nur der ältere Mann schaut in die Röhre: Sein Tiefschlafanteil nimmt ab dem fünfzigsten Lebensjahr kontinuierlich ab. Mit siebzig Jahren hat er oft gar nichts mehr oder nur noch Reste von dem nächtlichen Jungbrunnen, Regenerationsprozesse und Reparaturprogramme während des Tiefschlafs sind weniger ausgeprägt. Möglicherweise ist dies einer der Faktoren, die für die kürzere Lebenserwartung des Mannes verantwortlich gemacht werden können.
Insgesamt verliert der Schlaf beider Geschlechter im Alter an Festigkeit. Die Weckschwelle ist reduziert und der Schlaf ist durch Geräusche oder andere Störreize leichter irritierbar. Wer jetzt Ansprüche an den Schlaf stellt, noch so wie mit Mitte Dreißig schlafen zu können, der wird Nacht für Nacht bitter enttäuscht. Der nächtliche Blick an die Zimmerdecke, ein oder zwei Wachphasen mit einer Dauer von bis zu 30 Minuten sind ab einem gewissen Lebensalter eher die Regel als die Ausnahme. Bei Vorträgen schnellen an dieser Stelle immer die Hände in die Höhe.
„Ab welchem Lebensalter ist denn das genau der Fall?“, ist die drängende Frage. „Eine exakte Altersgrenze lässt sich nicht festlegen. Es hängt davon ab, wann und wo der Zellabbau im Gehirn, beginnt. Irgendwo zwischen dem fünfzigsten und dem neunzigsten Lebensjahr liegt der Beginn“, so lautet meine nicht immer für die Zuhörer befriedigende Antwort.
Trotzdem hat der ältere Mensch in Summe nicht weniger Schlaf. Er schläft jetzt nämlich wieder am Tag, um das nächtlich reduzierte Schlafvermögen auszugleichen. Nickerchen am Vormittag oder am Nachmittag sind an der Tagesordnung. Und abends herrschen vielfach schlafförderlichere Bedingungen als früher: Die Kinder sind aus dem Haus, der berufliche Alltag – sofern man noch nicht in Rente ist – wird mit viel Routine und Erfahrung absolviert, das Haus oder die Wohnung sind abbezahlt, die Miete ist zu stemmen, die Abende sind ruhiger und entspannter.
Das ändert sich natürlich, wenn Existenzsorgen, gesundheitliche oder familiäre Probleme drängen. Aber statisch ist der Durchschnittsschläfer im Alter entspannter.
In dieser Lebensphase verändert sich auch der Chronotyp. Egal, ob wir Lerche oder Eule sind, unser Schlafbedürfnis wandert wieder etwas nach vorne. Wir werden am Abend früher müde und gehen zeitiger ins Bett. Dafür sind wir am Morgen auch wieder deutlich früher wach. Wenn man so möchte, ähnelt das Schlaf-Wach-Muster des älteren Menschen wieder etwas dem des Kleinkindes.
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