Warum Sie besser zweimal zum Arzt gehen sollten

Ärzte hatten es früher einfacher: Dank ihres Status als Halbgötter in Weiß galt eine Diagnose als in Stein gemeißelt, die anzuzweifeln sich kaum jemand traute. Das hat sich längst geändert. Inzwischen fragen Patienten selbstbewusst und kritisch, wie ein Mediziner in den paar Minuten, die er sich in der Sprechstunde Zeit für sie nimmt, überhaupt eine vernünftige Diagnose stellen kann.

Ein Modewort geistert durch die Wartezimmer: Zweitmeinung. Doch lohnt sich ein weiterer Gang zum Arzt, oder handelt es sich bei den Zweiflern eher um von Internetforen kopfscheu gemachte Hysteriker?

Eher nicht, meint eine neue Studie. Denn nach einer Untersuchung des „Journal of Evaluation in Clinical Practice“ liegen Ärzte bei mehr als 20 Prozent ihrer Diagnosen daneben. Forscher um James Naessens hatten für die Erhebung Patientendaten der Mayo Clinic im US-Bundesstaat Minnesota analysiert. Die Wissenschaftler erfassten, bei wie vielen Diagnosen von 286 an das Krankenhaus überwiesenen Patienten sich die Mediziner getäuscht hatten.

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Tatsächlich stimmten die Diagnosen der zuvor behandelnden Ärzte in nur zwölf Prozent (36 Fälle) mit denen der Klinikärzte überein, die die Patienten noch einmal untersuchten. In 66 Prozent der Fälle (188 Patienten) lagen die Ärzte zwar nicht daneben, die Diagnose konnte aber noch deutlich präzisiert werden. Und in 21 Prozent der Fälle (62 Patienten) – also bei etwa jedem Fünften – stellten die Mediziner eine ganz andere Diagnose als die, mit der die Patienten in die Klinik gekommen waren.

Auch die Art der falschen Diagnosen erfassten die Studienautoren: Bei Patienten mit urogenitalen Problemen, Erkrankungen der Atemwege sowie psychischen Problemen war die Wahrscheinlichkeit am größten, dass Diagnosen nicht stimmten. Die Forscher warnen aber davor, ihre Ergebnisse in diesem Punkt überzubewerten, da die Datenbasis der Studie zu klein sei.

Dennoch seien die Ergebnisse recht eindeutig, so Naessens. „Wenn bei einem Patienten eine schwere Krankheit diagnostiziert wurde, kann es sich lohnen, eine zweite Meinung einzuholen – besonders, wenn empfohlene Therapien nicht anschlagen“, sagt er.

Zwar liefert die Untersuchung aufgrund der regionalen Datenbasis eher begrenzte generelle Aussagen. Doch die Ergebnisse decken sich grob mit denen aus vorherigen Studien. So kam eine große Metaanalyse 2008 auf 15 Prozent Fehldiagnosen – von ungefähr dieser Quote wird auch in Deutschland ausgegangen. Dazu kommen noch Kunstfehler, die vor allem Chirurgen und Orthopäden unterlaufen und zu denen es auch Statistiken gibt: Im Jahre 2015 wurden etwa mehr als 2000 Behandlungsfehler registriert.

Die 2008 berechnete Prozentzahl setzt sich aus teils sehr unterschiedlichen Daten verschiedener Fachbereiche zusammen. Denn die Fehlerquoten in der Pathologie, Radiologie oder Dermatologie lagen laut der Studie nur zwischen zwei und fünf Prozent. Deutlich höher waren die Fehlerraten beispielsweise beim Lesen von Röntgenbildern, schrieben die Forscher damals.

Etwas höhere Werte hat eine britische Studie 2012 ermittelt: Von 1000 untersuchten Todesfällen aus zehn verschiedenen Kliniken lag bei einem Drittel der Patienten eine falsche Diagnose vor. Fünf Prozent aller Todesfälle hätten sogar vermieden werden können, so die Forscher. Dabei wurden laut ihrer Untersuchung vor allem häufige Erkrankungen übersehen: Lungenentzündungen, akutes Nierenversagen, Krebs oder Herzinsuffizienz.

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