Du willst dein Leben verändern? Neurobiologe sagt, welche drei Dinge wirklich wichtig sind

Die Deutschen lieben Gewohnheiten, die Amerikaner sind offener gegenüber Neuem, sagt Neurobiologe Gerhard Roth. Das liegt aber nicht nur an der Kultur. Im Gespräch verrät er, was unsere Flexibilität beeinflusst und warum vieles schon früh festgelegt ist.

Herr Roth, in Ihrem neuen Buch schreiben Sie, dass man mehrere Dinge beachten muss, wenn man etwas in seinem Leben verändern möchte. Welche sind das?

Roth: Da müssen wir zwei Dinge unterscheiden. Möchten Sie jemand anderen verändern oder sich selber?

Setzen wir mal bei uns an.

Roth: Wer sich wirklich ändern möchte, muss drei zentrale Dinge bedenken. 

Veränderungen in Unternehmen erfolgreich umsetzen

Nehmen wir an, Sie sind Betriebsleiter oder Teamchef und möchten Ihre Mitarbeiter dazu bringen, dass sie etwas Neues akzeptieren. Solche Fälle hat Gerhard Roth in großen Unternehmen untersucht. Er stellte fest: Große Veränderungsprozesse Change-Verfahren scheitern in Deutschland zu etwa 80 Prozent. Wer seine Mitarbeiter erfolgreich verändern möchte, muss vier Dinge beachten: 

Vor allem der 3. und 4. Faktor werden laut Roth oft nicht ausreichend berücksichtigt. Deshalb scheiterten so viele Maßnahmen ist der Neurobiologe überzeugt.

Der Punkt Geduld ist sicherlich für viele Menschen besonders schwer.

Roth: Wie geduldig wir sind, ist ein Grundmerkmal unserer Persönlichkeit. Aber auch die Kultur ist entscheidend. Uns wird versprochen, dass alles schnell geht. Haben wir eine faltige Haut, verspricht uns die Werbung: Wenn wir die teure Gesichtscreme jeden Tag nehmen, dann sehen wir nach einer Woche aus wie Venus oder Apollon.

Sie als Hirnforscher können sicherlich auch neurobiologisch erklären, woran das liegt.

Roth: Gene wirken auf das Gehirn ein. Unsere genetische Grundlage bestimmt, wie unser Gehirn in der Grundstruktur aussieht. Und es gibt Strukturen im Gehirn, an denen man erkennt, dass Menschen bereiter oder weniger bereit für Veränderungen sind. Die einen Menschen nennen wir den dynamischen, offenen Typ. Den kann man inzwischen sehr gut neurobiologisch erklären, anhand einer Kombination bestimmter neuronaler Übertragungsstoffe, also Transmitter und Hormone und so weiter. Der andere Typ ist konservativ, auf Sicherheit aus, risikoscheu, bewahrend. Und dieser Typ hat eine etwas andere neurobiologische Struktur und das ist bereits sehr früh so. Diese Unterschiede kann man schon im Kindergarten feststellen.

Was interessant ist: Die Unterschiede sind eben nicht nur in den Genen, sondern in den Kontrollmechanismen zu finden, der sogenannten Epigenetik, die aber auch unter Umständen weitergegeben werden.

Die Gene legen also schon sehr viel fest.

Roth: Ja, aber nicht alles. Ich habe eineiige Zwillinge als Enkel und sie sind in ihrer Persönlichkeit teilweise verschieden. Sie haben zwar die gleichen Gene, aber nicht die gleichen epigenetischen Kontrollmechanismen, da sind sie unterschiedlich. Der eine Zwilling ist eher dynamisch und offen, der andere eher gewissenhaft. Vor einigen Jahren war das auch in der Wissenschaft noch gar nicht klar, aber inzwischen ist es bewiesen, dass sich auch einige Zwillinge hier deutlich unterscheiden können.

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    Also liegt es auch am eigenen Temperament.

    Roth: Genau, Sie sagen das richtige Stichwort: Temperament. Es ist das, was sich sehr früh ausbildet aufgrund von genetischen und epigenetischen Faktoren, aber auch vorgeburtlichen Erfahrungen, die zum Beispiel wichtig sind, falls eine Schwangerschaft sehr negativ war. Auch die frühkindliche Prägung, also etwa die ersten drei Lebensjahre, wirken sich auf dieses Temperament aus. Wie haben sich die Eltern verhalten? Welche Erfahrungen hat das Kind in der Kinderkrippe gemacht. Das alles bildet das Temperament aus. Dieses Temperament ist zwar zum Teil umweltbedingt, aber verfestigt sich sehr schnell. Und das gibt uns die Norm vor, wie wir später als Jugendliche und Erwachsene mit Neuerungen und Veränderungen umgehen – ob wir sie eher lieben oder eher nicht.

    Sie sagen also wie stark wir uns verändern können, hängt auch davon ab, wie wir uns als Kinder entwickelt haben – eher zum Optimisten zum Beispiel oder eher zum Pessimisten. Wie können Eltern beeinflussen, dass sich ihr Kind so entwickelt, dass es in einer Welt gut klarkommt, die immer mehr Flexibilität fordert?

    Roth: Eltern können nur zum Teil etwas tun. Sein Temperament zum Beispiel zeigt ein Kind schon mit ein oder zwei Jahren. Als Eltern muss ich erkennen, welches Temperament mein Kind mitbringt. Wenn mein Kind eher schüchtern oder ängstlich ist und unter Veränderungen leidet, dann muss ich es ermutigen und auch trainieren, dass es sich mehr traut. Auf der anderen Seite müssen Eltern aber auch dagegenhalten, wenn das Kind extrem offen, aktiv und spontan ist, und ihr Kinder ermahnen, sich zu überlegen, was es tut, abzuwägen – und Risiken auch einzukalkulieren. Es ist gut, wenn Eltern schon früh bei ihren Kindern versuchen, sie zu ermutigen oder eben etwas zu bremsen. Man kann das Temperament schon formen. Aber grundsätzlich kann man aus einem sehr ängstlichen Menschen keinen extremen Optimisten machen.

    Frühkindliche Prägung ist wichtig, aber wie ist es mit einschneidenden Lebensereignissen. Die prägen einen Menschen auch. Können sie uns so erschüttern, dass sie unsere Persönlichkeit verändern?

    Roth: Das ist kompliziert. Die Psychotherapie beschäftigt sich mit der Frage, wie veränderbar Menschen im negativen und positiven Sinne sind. Hier gibt es das berühmte Drittel-Gesetz. Erleben Menschen zum Beispiel eine große Katastrophe, wird das für ein Drittel derer, die das erleben, schwer traumatisierend und ihr ganzes weiteres Leben leidet darunter. Ein weiteres Drittel hat nur milde Beeinträchtigungen. Nach einem oder zwei Jahren sind diese Menschen wieder wie vorher. Und ein weiteres Drittel – das ist sehr erstaunlich – steckt das Ereignis gut weg. Das hat die Wissenschaft über viele Jahrzehnte konsterniert.

    Was haben diese Menschen, was die anderen nicht haben?

    Roth: Hier kommt das Stichwort Resilienz ins Spiel. Diejenigen Menschen, die schwer traumatisiert werden, hatten schon vorher traumatische Belastungen. Die, die das wegstecken, haben ein positives Temperament und positive Grunderfahrungen. Sie sind resilient, also widerstandsfähig gegenüber negativen Einflüssen von außen. Auch hier kommt es wieder auf die Vorgeschichte an, die frühe Prägung, die Gene.

    Wenn Sie offener und dynamischer sind und auf die Chance Ihres Lebens warten, etwa endlich etwas zu erreichen, und das passiert dann auch – dann kann das einen starken positiven Effekt haben. Wer aber ein eher ängstlicher Mensch ist und etwas Positives erlebt, kann sich oft nicht so freuen und ordnet das positive Ereignis dem Zufall zu oder findet etwas Negatives daran.

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