Waschbärspulwurm ist in Deutschland verbreitet – und befällt Menschen

Von einer Weltpremiere der etwas anderen Art berichten Ärzte in der australischen Hauptstadt Canberra. Im Juli 2022 entdeckten sie im Gehirn einer Frau den acht Zentimeter langen parasitischen Wurm Ophidascaris robertsi  – dessen Endwirt normalerweise Pythons sind. Wie ein Team um Sanjaya N. Senanayake von der Australian National University in Canberra berichtet, war die Frau zuvor ein Jahr lang wegen rätselhafter Symptome behandelt worden. Nachdem sie neurologische Probleme entwickelte, entdeckten die Ärzte den Wurm in ihrem Gehirn und entfernten ihn. Es ist nach Angaben der Fachleute der erste bekannte Fall einer Infektion mit diesem für Schlangen typischen Spulwurm bei Menschen.                        

Rätselhafte Symptome – Ärzte finden Wurm in Gehirn von Patientin

Tatsächlich allerdings ist Ophidascaris robertsi nicht ausschließlich auf Schlangen beschränkt. Was die Mediziner im Kopf der 64-jährigen Patientin fanden, war das dritte Larvenstadium (L3) des Wurms, und das befällt normalerweise Säugetiere. Der Spulwurm hat nämlich einen indirekten Lebenszyklus, das heißt, er benötigt für seine Entwicklung mehr als eine Wirtsspezies. Die Eier, ausgeschieden vom erwachsenen Wurm, verteilen sich mit dem Kot der Schlange in der Landschaft. Kleine Beuteltiere, Nagetiere oder gar Koalas nehmen die Eier auf, die L3-Larven entwickeln sich.

Erst wenn eine Python den Zwischenwirt frisst, gelangt der Parasit in die Schlange, entwickelt sich zum erwachsenen Tier und beginnt, Eier zu legen. Vermutlich habe sich die Frau mit den Eiern infiziert, als sie Neuseeländischen Spinat verzehrte, schreiben die Fachleute in ihrem Fallbericht in der Fachzeitschrift „Emerging Infectious Diseases„.

Im Januar kam sie dann wegen Bauchschmerzen und Durchfall ins Krankenhaus, später entwickelte sie außerdem Husten. Untersuchungen zeigten Schäden in Lunge und Leber sowie eine große Zahl von Immunzellen im Lungengewebe – beides vermutlich hervorgerufen von den durch den Körper wandernden Wurmlarven.

„Waschbärspulwurm“ auch in Deutschland

Anfang 2022 begannen die neurologischen Probleme, drei Monate lang klagte die Frau über Gedächtnisstörungen und Depressionen. Schließlich entdeckten die Ärzte bei einem Hirnscan einen etwa anderthalb mal einen Zentimeter großen auffälligen Bereich hinter der Stirn. Bei einer Biopsie entdeckten sie dort ein “fadenartikes Objekt“, das sich als acht Zentimeter langer, blassroter Wurm entpuppte. Nachdem dieser entfernt war und die Patientin Medikamente gegen eventuelle weitere Larven erhalten hatte, verschwanden die Symptome.

Das ist keineswegs so ungewöhnlich, wie es auf den ersten Blick klingen mag. Ähnliche Symptome, larva migrans genannt, kennt man auch vom Menschen befallenden Spulwurm, mit dem etwa ein Fünftel der Weltbevölkerung infiziert ist. Und immer wieder fangen sich Menschen verwandte Parasiten von Tieren ein, denn die Würmer sind bei ihren Wirten oft flexibel. Und eine große Bandbreite von parasitischen Würmer kann ins Zentralnervensystem von Menschen eindringen und neurologische Symptome auslösen. So zum Beispiel der auch in Deutschland verbreitete Waschbärspulwurm Baylisacaris procyonis , der eine sehr schwere und manchmal tödliche Hirnhautentzündung auslösen kann.

Während also der Python-Spulwurm im Gehirn der australischen Frau ein ungewöhnlicher Fall ist, ist er keineswegs so exotisch, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Auch Ophidascaris robertsi befällt eine große Bandbreite von Säugetieren. Bisher hatten Studien gezeigt, dass der Wurm in Tieren von außerhalb Australiens nicht oder nur schlecht gedeiht, deswegen galten Menschen als nicht gefährdet; wie oft allerdings tatsächlich solche Würmer Menschen befallen, ohne entdeckt zu werden, ist unbekannt. Dass der Parasit in Canberra schließlich identifiziert wurde, lag womöglich an der Behandlung selbst: Womöglich war es die Immununterdrückung, mit der die Ärzte die ursprüngliche Entzündung der Lunge behandelten, durch die der Wurm überhaupt erst ins Gehirn vordringen konnte.

Das Original zu diesem Beitrag „Theorie, wie der lebendige Wurm ins Hirn einer Australierin gelangte“ stammt von Spektrum.de.

Quelle: Den ganzen Artikel lesen