SARS-CoV-2: Frühe Immunreaktion sagt COVID-19-Verlauf voraus – Heilpraxis

COVID-19-Verläufe in den ersten Erkrankungstagen vorhersagen

Ein Rätsel der vorherrschenden COVID-19-Pandemie ist immer noch, warum manche Personen fast gar nichts von der Erkrankung merken und andere so krank werden, dass sie daran versterben. Bei COVID-19 sind alle Abstufungen von asymptomatisch, über mild und mittelschwer bis hin zu schweren und kritischen Verläufen möglich. Ein Forschungsteam fand nun heraus, dass sich offenbar bereits in den ersten Tagen der Erkrankung entscheidet, welcher Verlauf eintreten wird. Abzulesen sei dies an der frühen Reaktion des Immunsystems.

Forschende der University of Cambridge zeigten im Rahmen einer aktuellen Studie, dass die frühe Reaktion des Immunsystems ausschlaggebend für den weiteren Krankheitsverlauf zu sein scheint. Das Ausmaß der Virusvermehrung spiele demnach zunächst eine untergeordnete Rolle. Die Ergebnisse wurden kürzlich auf dem medizinischen Vorveröffentlichungsserver „medRxiv“ zur Verfügung gestellt.

Wichtige neue Erkenntnisse über COVID-19-Verläufe

Neue Forschungsergebnisse aus Cambridge liefern wichtige Erkenntnisse über die Rolle des Immunsystems beim Verlauf von COVID-19. Die Forschenden finden wichtige Hinweise und Früherkennungsmerkmale, um einzuschätzen, wie die Erkrankung verlaufen wird und warum einige Menschen einen besonders langen Krankheitsverlauf erleben („long Covid“).

Unterschied zwischen leichten und schweren Verläufen

Ein wichtiger Unterschied zwischen Personen, bei denen einen SARS-CoV-2-Infektion asymptomatisch oder leicht verläuft und Betroffenen, die wegen COVID-19 in ein Krankenhaus eingeliefert werden, ist den Forschenden zufolge die frühe Immunantwort auf das Virus.

Bei Patientinnen und Patienten mit asymptomatischen Verläufen zeige sich bereits während der ersten Tage der Infektion eine robuste Immunantwort, während Krankenhauspatienten in der Regel eine schwache Immunantwort aufweisen und bereits beim Auftreten der ersten Symptome systematische Entzündungen entwickelt haben. Hinzu kämen anhaltende Anomalien der Immunzellen, die zu einem besonders langen Krankheitsverlauf beitragen.

Komplexe Immunreaktion bei COVID-19

Die meisten Menschen, die sich mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizieren, zeigen eine erfolgreiche antivirale Reaktion auf das Virus – infolge entstehen wenige oder gar keine Symptome. Bei einigen Betroffenen kommt es laut der Studie jedoch zu einer Überreaktion des Immunsystems, wodurch ein sogenannter Zytokinsturm ausgelöst wird, mit dem systemische Entzündungen und Schäden an mehreren Organen einhergehen und der schlimmstenfalls zum Tod führen kann.

Was wurde untersucht?

Das Forschungsteam der Cambridge Universität beleuchtete den Zusammenhang zwischen der Immunantwort auf SARS-CoV-2 und den damit verbundenen Krankheitsverlauf nun genauer. Dazu analysierte das Team Proben von 207 COVID-19-Betroffenen mit unterschiedlichen Schweregraden im Krankheitsverlauf. Laut Professor Ken Smith, einem der leitenden Studienautoren, sollten zwei wesentliche Fragen geklärt werden:

Immunreaktion bei leichten Verläufen

Durch die Analysen der Proben fand das Team Hinweise auf eine frühe und robuste Immunantwort bei denjenigen, deren Erkrankung asymptomatisch oder leicht verlief. Während dieser adaptiven Immunreaktion identifiziert das Immunsystem eine Infektion und produziert innerhalb der ersten Woche der Infektion dann T-Zellen, B-Zellen und Antikörper, die gezielt das Virus bekämpfen.

Immunreaktion bei schweren Verläufen

Bei schweren Verläufen fand der oben beschriebene Prozess nicht in ausreichender Geschwindigkeit statt oder war verzögert. Die Forschenden fanden bei Personen mit schweren Verläufen tiefgreifende Anomalien in den weißen Blutkörperchen und Hinweise auf frühe Entzündungsreaktionen, die bei Infizierten mit leichten Verläufen nicht vorkommen.

COVID-19-Krankheitsverlauf schon früh einschätzbar

Die entdeckten Signale, die als Reaktion auf solche Entzündung produziert werden, könnte der Arbeitsgruppe zur Folge dazu verwendet werden, um den Schweregrad der Erkrankung frühzeitig vorherzusagen. Zudem könnte das Risiko für einen COVID-19-assoziierten Tod besser eingeschätzt werden. „Unsere Erkenntnisse deuten darauf hin, dass das Risiko für schwere COVID-19-Verläufe unmittelbar nach der Infektion oder spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem die ersten Symptome auftreten, ermittelt werden kann“, erläutert Dr. Paul Lyons aus dem Studienteam.

Schäden am Immunsystem verhindern

Dieser Befund könnte laut dem Forschungsteam große Auswirkungen auf die Behandlung von COVID-19 haben. Die Schädigung des Immunsystems müsse so früh wie möglich gestoppt werden, um kritische und lange Krankheitsverläufe abzuwenden. Bei Hochrisikogruppen sei vielleicht sogar eine Präventivbehandlung sinnvoll, bevor eine Infektion diagnostiziert wurde oder Symptome entstehen.

Viruslast hat keinen Einfluss auf Entzündungs-Entstehung

Die Menge der vorhandenen Viren, also die Viruslast, scheint der Studie entsprechend keinen Einfluss darauf zu haben, ob sich Entzündungen entwickeln oder nicht. Sobald jedoch Entzündungen vorliegen, sei eine höhere Viruslast auch mit einer weiteren Verschlechterung des Krankheitsverlaufes assoziiert.

Langzeitbeschwerden mit Immunsystem-Veränderungen verbunden

Die Studie liefert auch Hinweise auf die Ursachen für Langzeitbeschwerden wie anhaltende Müdigkeit, die oft nach schweren COVID-19-Verläufen auftreten. Das Team fand bei einigen Teilnehmenden noch Wochen oder sogar Monate nach der SARS-CoV-2-Infektion Veränderungen in vielen Immunzell-Typen. Einige Immunzellen erholten sich erst langsam, nachdem die systemischen Entzündungen abklangen, andere blieben sogar abnormal oder zeigen nur eine begrenzte Erholung, selbst nachdem die systemischen Entzündungen kuriert und die Betroffenen schon lange aus dem Krankenhaus entlassen waren.

Ansatz zur Behandlung von COVID-19-Nachwirkungen

„Es sind diese Populationen von Immunzellen, die immer noch Anomalien zeigen, auch wenn sich alles andere von selbst gelöst zu haben scheint“, kommentiert Studienerstautorin Dr. Laura Bergamaschi. Diese Gruppe von Immunzellen könnte bei langen COVID-19-Verläufen von großer Bedeutung sein. Bei einigen „Arten von T- und B-Zellen, scheint es, dass etwas ihre Aktivität weiter antreibt“, so die Wissenschaftlerin. Die Forschenden vermuten hier den Schlüssel zur Behandlung von Langzeitbeschwerden nach COVID-19.

Nasenspray soll Zytokinsturm verhindern

Eine weitere Studie berichtete kürzlich von einem neuen Wirkstoff, der verheerende Zytokinstürme bei schweren COVID-19-Verläufen verhindern soll. Mehr Informationen hierzu finden Sie in dem Artikel: „Corona-Forschung: Neues Nasenspray soll vor COVID-19 schützen“. (vb)

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