Lockerungen der Corona-Maßnahmen und trotzdem sinkende Fallzahlen? So könnte es klappen

Es ist zäh. In der Corona-Pandemie ist kein Ende in Sicht, die Infektionszahlen steigen wieder. Trotz allem soll Deutschland jetzt nach und nach aus dem Koma geholt werden, die Maßnahmen sollen gelockert werden. Am Mittwoch steht der nächste Corona-Gipfel an. Gerungen wird dann neuerlich um mögliche Lockerungsschritte – trotz dem erhöhten Ansteckungsrisiko der Mutationen und sich anbahnenden dritten Pandemiewelle. Wie könnten die nächsten Schritte unter diesen Voraussetzungen aussehen?

Für den neuen "Modus-Covid"-Bericht haben Forscher verschiedener Arbeitsgruppen vier mögliche Szenarien in mathematischen Modellen durchgespielt. Die ersten drei Szenarien beinhalten demnach Maßnahmenpakete, die bereits in der Vergangenheit angewandt wurden. Die vierte Option, die unter der  "intelligente" Lockerungen vorsieht, beinhaltet zusätzlich zu diesen Maßnahmen auch den "breiten Einsatz von Schnelltests". Dabei stellen die Forscher auch eine Variante vor, bei der nicht nur Lockerungen der Corona-Maßnahmen möglich wären, sondern auch die Fallzahlen gesenkt werden könnten. 

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Szenario I: Leichte Öffnungen

Eine Möglichkeit wäre das Aufheben der Beschränkungen ähnlich, wie es bereits im vergangenen Frühjahr gemacht wurde. Die Schulen machen bereits schrittweise wieder auf, weitere Lockerungen im Handel und auch in der Gastronomie sind im Gespräch. Im vergangenen Jahr hatten solche Öffnungen nicht zu einem sofortigen Wiederanstieg der Infektionszahlen geführt. 2021 könnte das aber anders aussehen.

Die Forscher gehen in Blick auf die Simulationen davon aus, dass eine "Fortsetzung einer Strategie leichter Öffnungen zu einer spürbaren 3. Welle führen" würde. Im vergangenen Jahr spielte das Wetter mit. Das war ungewöhnlich schön und erlaubte viel Aktivität im Draußen. Ähnliche Effekte erwarten die Forscher in diesem Jahr erst ab etwa April. Zudem gab es die Virusmutation B.1.1.7 noch nicht, welche die Situation jetzt verschärfe. Diese beiden Faktoren einberechnet, zeigt die Simulation, dass eine dritte Welle auch durch wärmere Temperaturen "nicht signifikant gebremst oder beendet werden" würde. Und: "Sowohl die Infektions- als auch die Krankenhauszahlen dieser Welle lägen laut unseren Simulationen um ein mehrfaches höher als im Dezember 2020".

Fazit: Schlicht zu wiederholen, was 2020 gemacht wurde, halten die Forscher hinsichtlich der erhöhten Gefahren durch die Mutation "für gefährlich". Sie gehen davon aus, dass dieses Vorgehen dazu führen würde, dass dies zur Folge hätte, dass dies nach einigen Wochen eine neuerliche "politische Kurskorrektur erzwingen" würde und das dann "umso drastischere Gegenmaßnahmen" ergriffen werden müssten und befürchten einen "Jojo-Lockdown".

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Szenario II: Beibehaltung der Restriktionen

Möglichkeit zwei wäre: Weitermachen wie gehabt. Dabei würden die jetzigen Corona-Maßnahmen schlicht fortgeführt werden – keine Lockerungen, keine Verschärfungen, Status quo. Doch auch das sehen die Forscher hinsichtlich des erhöhten Ansteckungsrisikos der Mutation B.1.1.7 kritisch. Laut Modell würde eine Beibehaltung der Restriktionen, zu einer dritten Welle führen.

Grundlage für dieses Modell waren die Restriktionen, die Mitte Februar galten. Die Prämisse für die Hochrechnung war, dass die Menschen sich weiterhin an die Einschränkungen hielten. Unter diesen Voraussetzungen fielen während der dritten Welle die Fallzahlen etwas niedriger als im Dezember aus. Laut Modell würde dabei vor allem das wärmere Wetter ab circa April helfen und die bereits erfolgten Impfungen würden außerdem ihren Beitrag leisten, "dass die Krankenhauszahlen deutlich niedriger als im Dezember bleiben würden".

Fazit: Die Forscher gingen davon aus, dass es trotz Beibehaltung der Restriktionen von Mitte Februar zu einer dritten Pandemiewelle gekommen wäre. Da die Maßnahmen aber inzwischen teilweise aufgeweicht wurden, zeigt dieses Modell nur noch, wie es hätte aussehen können. 

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Szenario III: Verschärfung der Maßnahmen

Müssten wir statt zu lockern eher verschärfen? Laut Simulation würden sogenannte einfache Maßnahmen wie ein komplettes Verbot von gegenseitigen Besuchen oder auch die weitgehende Schließung von Arbeitsplätzen eine "vergleichsweise geringe zusätzliche Wirkung" haben. Eine Maßnahme, die in den Simulationen nach wie vor "relativ viel Wirkung" zeige, seien aber abendliche und nächtliche Ausgangssperren. Allerdings sehen die Forscher in diesen eher ein Werkzeug, das als "lokale Notmaßnahme" besser eingesetzt sei, da sie davon ausgehen, dass mittelfristig damit zu rechnen sei, dass die Menschen sich dann eben nicht abends, sondern tagsüber treffen würden und es nur zu Verschiebungen der Verabredungen kommen würde.

Fazit: Weitere Einschränkungen würden laut Modell nur wenig Effekt haben. Ausgangssperren aber bleiben ein sinnvolles Werkzeug, wenn lokal schnell eingegriffen werden muss.

Szenario IV: Intelligentes lockern

Können die Maßnahmen nach und nach gelockert werden, ohne dass die Fallzahlen sofort wieder in die Höhe schießen? Die Analysen der Forscher machen Hoffnung. Demnach weisen die Analysen darauf hin, dass es möglich ist, durch "geschickte Gestaltung der Infektionsschutzmaßnahmen" Lockerungen in aus politischer Sicht besonders bedeutsamen Gesellschafts- und Wirtschaftsbereichen durchzuführen und dennoch ein weiteres Absinken der Fallzahlen zu erreichen.

Da laut Simulationen die Ansteckung in Innenräumen einen großen Bereich ausmacht, komme es darauf an,  "Maßnahmen intelligent zu kombinieren, um trotz B.1.1.7 sowie leichter Öffnungen dennoch ein weiteres Absinken der Infektionszahlen zu erreichen". Sie nennen: medizinische Masken, Impfungen, Vermeidung von Kontakten in Innenräumen, Reduktion der Personendichte (zum Beispiel Wechselunterricht an Schulen), Verlagerung der Aktivität nach draußen, bessere (maschinelle) Lüftung oder flächendeckender Einsatz von Schnelltests.

"In unseren Simulationen zeigen Schnelltests vor Schule, Arbeitsstätte oder Besuch bei Freunden eine erhebliche positive Wirkung", schreiben die Forscher. Generell habe sich gezeigt, "dass quasi jede Teststrategie, die auf breit eingesetzten Schnelltests beruht, eine gute Wirkung hat, und zwar selbst dann, wenn die Fehlerquote der Tests oder bei der Anwendung hoch ist", schreiben die Forscher in dem Bericht.

Fazit: Eine Reduzierung der Fallzahlen trotz Lockerungen ist möglich, wenn Maßnahmen wie Schnelltests intelligent und kombiniert eingesetzt werden. Eine zentrale Merkregel sei, dass Kontakte in Innenräumen mit Personen außerhalb des eigenen Haushaltes nur mit Schutzmaßnahmen stattfinden sollten.

Diese und weitere Modelle sind auf der Seite https://covid-sim.info einsehbar.

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