Das Bundeskabinett hat grünes Licht für die beiden Digitalisierungsgesetze des Bundesgesundheitsministers gegeben: das Digital-Gesetz, das vor allem ePA und E-Rezept voranbringen soll, sowie das Gesundheitsdatennutzungsgesetz, das der Forschung einen Schub verleihen soll. An den Referentenentwürfen wurde zuvor nochmals eifrig gefeilt. Änderungswünsche der ABDA blieben jedoch weitgehend unberücksichtigt.
Kommende Woche, am 5. September, steht die erste Plenumssitzung im Bundestag nach der Sommerpause an. Zunächst werden sich die Parlamentarier:innen mit dem Haushalt befassen. Danach werden alsbald auch einige Vorlagen aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) zu debattieren sein. So hat am heutigen Mittwoch das Bundeskabinett den beiden Digitalisierungsgesetzen aus dem Hause Lauterbach den Weg bereitet: dem „Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens“ (Digitalgesetz – DigiG) und dem „Gesetz zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten“ (Gesundheitsdatennutzungsgesetz – GDNG).
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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) betonte, dass mit den beiden Gesetzen nicht nur die Versorgung, sondern auch die Forschungslandschaft verbessert werde – „und zwar in einer Art und Weise, dass man hier von einem dramatischen Durchbruch sprechen kann“. Man starte nun eine Aufholjagd und baue eine der modernsten medizinischen Digital-Infrastrukturen in Europa auf.
Digitale Medikationsprozesse – die erste Anwendung der ePA
Kernelement des Digitalgesetzes ist die elektronische Patientenakte (ePA), die ab dem Jahr 2025 für alle gesetzlich Versicherten, die dem nicht widersprechen, bereitgestellt wird (Opt-out). Für privat Versicherte können die PKV-Unternehmen ebenfalls eine widerspruchsbasierte ePA anbieten.
Die ePA werde „den Austausch und die Nutzung von Gesundheitsdaten vorantreiben und die Versorgung gezielt unterstützen – im ersten Schritt durch die Einführung eines digitalen Medikationsmanagements“, heißt es in einer Pressemitteilung des BMG. Allerdings ist festzustellen, dass das Wort „Medikationsmanagement“ im Kabinettsentwurf zum Digitalgesetz gar nicht mehr auftaucht. Es wurde an den unterschiedlichen Stellen, wo es im Referentenentwurf auftauchte, durch das Wort „Medikationsprozess“ ersetzt. Was hinter dem neuen Wording steht, bleibt unklar.
Auch wenn im Detail an den geplanten Änderungen im Sozialgesetzbuch V geschliffen wurde: Was den Medikationsplan betrifft, bleibt es dabei, dass diese als Teil der ePA etabliert wird – darin soll sich ganz automatisch die verordnete Medikation finden, Daten zu freiverkäuflichen Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln sollen ergänzt werden können. „In enger Verknüpfung mit dem E-Rezept werden so ungewollte Wechselwirkungen von Arzneimitteln besser vermieden und Ärztinnen und Ärzte im Behandlungsprozess unterstützt“, heißt es dazu vom BMG.
E-Rezept ab 1. Januar 2024 verbindlicher Standard
Zudem soll das E-Rezept nun wirklich verbindlicher Standard in der Arzneimittelversorgung werden. Sowohl in der Pressemitteilung als auch in der Begründung des Gesetzentwurfs wird immer wieder auf den 1. Januar 2024 als Stichtag hingewiesen.
Bemerkenswerterweise sieht der Kabinettsentwurf aber nicht mehr vor, dieses Datum auch in der zentralen E-Rezept-Norm, dem § 360 SGB V, zu verankern. Derzeit ist dort zu lesen, dass Vertragsärzte und -zahnärzte ab dem 1. Januar 2022 verpflichtet sind, Verordnungen von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln elektronisch auszustellen. Bekanntermaßen ist das Datum überholt – und der Referentenentwurf zum Digitalgesetz sah noch vor, es durch 1. Januar 2024 zu ersetzen. Diese ausdrückliche Klarstellung ist jetzt nicht mehr zu finden – wohingegen andere Daten, etwa zum Start von E-Rezepten für DiGA oder Hilfsmittel, weiterhin verschoben werden sollen.
Das hat allerdings nichts weiter zu bedeuten, erklärte Lauterbach auf Nachfrage. Der Stichtag ergibt sich nun offenbar aus dem Kontext. Nicht nur aus der Begründung, sondern zum Beispiel auch daraus, dass Ärzte und Ärztinnen nach wie vor eine einprozentige Honorarkürzung erwarten soll, wenn sie gegenüber ihrer Kassen(zahn)ärtzlichen Vereinigung nicht kurz nach Inkrafttreten des Digitalgesetzes nachweisen, dass sie E-Rezepte ausstellen und übermitteln.
E-Rezepte nur über die TI – mit vier Ausnahmen
Kräftig geschrubbt hat das BMG auch am geplanten neuen Absatz 16 in § 360 SGB V, der klarstellen soll, auf welchen Wegen E-Rezepte bzw. deren Token übermittelt werden können. Schon im Referentenentwurf war hier die Klarstellung vorgesehen, dass „die Bereitstellung und der Betrieb von informationstechnischen Systemen, die die Übermittlung von elektronischen Verordnungen oder elektronischen Zugangsdaten zu elektronischen Verordnungen außerhalb der Telematikinfrastruktur ermöglichen, (…) untersagt“ ist.
Diese klare Aussage goutierte auch die ABDA – nicht hingegen die ebenfalls vorgesehene Ausnahme. Es sollten nämlich auch solche Systeme zur Verfügung gestellt werden können, mit denen die E-Rezept-Token von der Ärztin oder dem Arzt an den Versicherten zur direkten Einlösung in einer Apotheke außerhalb der TI übermittelt werden können – sofern dieser Zugangsweg dem Stand der Technik entspricht. Diese Ausnahme wollte die ABDA gestrichen sehen. Sie ist in abgewandelter Form geblieben – und hat noch ein paar Ausnahmen dazu bekommen.
Geplanter § 360 Abs. 16 SGB V (Gesetzentwurf der Bundesregierung für eine Digtalgesetz)
(16) Die Bereitstellung und der Betrieb von informationstechnischen Systemen, die den Anwendungsfall der Übermittlung von elektronischen Verordnungen oder elektronischen Zugangsdaten zu elektronischen Verordnungen nach diesem Buch außerhalb der Telematikinfrastruktur enthalten, ist untersagt. Satz 1 umfasst nicht:
§ 11 Absatz 1 und 1a des Apothekengesetzes sowie § 31 Absatz 1 Satz 5 bis 7 sind zu beachten. Absatz 2 Satz 5 bleibt unberührt.
In der Begründung heißt es, Ziel der Regelung sei, „technische Möglichkeiten zum Makeln von elektronischen Rezepten zu unterbinden, den Versicherten die Möglichkeit zu geben, E-Rezepte diskriminierungsfrei in allen Apotheken einlösen zu können und die IT-Sicherheit der E-Rezepte zu erhöhen“. Grundsätzlich bleibt es beim Verbot, E-Rezepte bzw. deren Token außerhalb der TI zu übermitteln. Aber beispielsweise das Vorzeigen des E-Rezept-Tokens durch den Arzt, auch im Rahmen einer Videosprechstunde, zum Einscannen durch den Versicherten werde nicht unterbunden. „Darüber hinaus ist die Übermittlung von E-Rezept-Token durch den Versicherten über einen Dienst an eine Apotheke zulässig, wenn alle Apotheken diskriminierungsfrei angeboten werden.“ Das ist gesichert, wenn der Verzeichnisdienst der Gematik und normierte Schnittstellen zu den Apothekenverwaltungssystemen genutzt werden. Nochmals wird klargestellt: An Makelverbot und freier Apothekenwahl wird nicht gerüttelt.
Nicht abgerückt ist das BMG auch von dem Vorhaben, dass das E-Rezept künftig auch via Kassen-App abrufbar sein soll. Auch dies lief der ABDA gegen den Strich.
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Ein weiterer Punkt, den die ABDA in ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf moniert hatte, war, dass das sogenannte Ident-Verfahren für Versicherte, das Apotheken künftig durchführen können, auch durch Vertragsärzte und -zahnärzte ermöglicht werden sollte. Diese Ergänzung in § 336 Absatz 1 SGB V ist im Kabinettsentwurf nicht mehr zu finden – allerdings noch ihre Begründung, was möglicherweise ein redaktionelles Versehen ist.
Keine Änderung bei Plänen zur assistierten Telemedizin
Ganz unverändert sind im Kabinettsentwurf die Pläne zur assistierten Telemedizin, die Apotheken künftig anbieten können sollen. Die Grundlage soll ein neuer Absatz im mittlerweile äußerst umfangreichen § 129 SGB V schaffen. Die ABDA hatte zwar grundsätzlich begrüßt, dass die Apotheken in niedrigschwellige Versorgungsangebote eingebunden werden sollen – dies sei immerhin besser als Gesundheitskioske –, doch die konkrete Gestaltung befand die ABDA für „unausgereift.“
Im ebenfalls vom Kabinett beschlossenen Gesundheitsdatennutzungsgesetz ist für Apotheken vor allem die vorgesehene AMTS-Prüfung durch die Krankenkassen ein Dorn im Auge. Gefragt, ob er die Sorgen der Apotheke in diesem Punkt verstehen könne, erklärte Lauterbach: „Nein.“ Denn es gebe hier unterschiedliche Zugänge. Die Kassen hätten Daten, die Apotheken nicht haben können – beispielsweise, ob es zu einem chirurgischen Eingriff gekommen ist. Das, was Apotheken „beeindruckend leisten“, werde also nur ergänzt durch die Kassen, was die Arzneimittelversorgung noch sicherer mache.
Man darf nun gespannt sein, welche Wandelungen die umfangreichen Gesetzentwürfe noch im parlamentarischen Verfahren durchlaufen werden. Lauterbach kündigte bereits die nächsten Gesetzentwürfe an: Einer sei in Vorbereitung, um die Gematik neu aufzustellen. Zudem soll ein Medizinforschungsgesetz folgen, das klinische Studien beschleunigen soll.
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