Vom Leben und Tod eines jungen Deutschen, der glaubte, sich allein von Licht ernähren zu können

Der Abschied würde kommen. Das wusste Marion Bogumil. Finn hatte ja wochenlang über nichts anderes mehr gesprochen. Und zwischendurch alles in Müllsäcke gestopft: seine alten Klamotten, Bücher, Poster und sogar die Kuscheltiere. Praktisch seine ganze Kindheit. Und Marion und ihr Mann Ulli hatten bei alldem zugucken müssen. Machtlos. Bis zu dem Tag, als es dann so weit war und Finn Marion gegenüberstand, auf diesem Waldweg in Hamburg-Volksdorf, und sie umarmte, genau 21 Sekunden lang. Denn 21, das war für Finn eine magische Zahl. Finn lief bis zum Waldrand, dort drehte er sich noch einmal um, breitete die Arme aus und rief bloß zwei Worte: „Bis gleich.“

Marion war verzweifelt. Aber sie wusste, dass man Finn nicht mehr aufhalten konnte. Nicht den! Seit Monaten hatten sie und ihr Mann es ja versucht. Hatten einen Familienrat einberufen, seinen Reisepass verbrannt, bei der Airline angerufen und behauptet, Finn sei eine Gefahr und dürfe nicht an Bord gehen. Alles um ihn abzuhalten. Von dieser Schnapsidee. Gebracht hatte es nichts.

Eroberer

An diesem 10. Oktober 2016, einem Montag, lief Finn los. Zu Fuß. Ohne Geld, nur mit dem kleinen Tagesrucksack, der wasserdichten Plane, dem Notizheft, ein paar Shirts, Unterhosen und Socken. Finns Plan war es, an den Amazonas zu reisen, um dort zu fasten und zu meditieren. Finn wollte zu einem von denen werden, die er bewunderte: einem Schamanen.

Doch Finns Suche scheiterte. Davon erzählt die leere Kokosnuss aus der Karibik, die heute auf einer Anrichte im Wohnzimmer steht. Der Anruf erreichte Marion 13 Monate später auf dem Handy. Einheimische hatten ihren Sohn gefunden. Reglos und nackt auf einer Lichtung im Dschungel der Karibikinsel Dominica. Zunächst habe er noch gelebt, sein Herz geschlagen, aber dann habe er nicht mehr geatmet. Man habe ihn nicht retten können.

Im Dschungel der Karibikinsel Dominica zimmerte sich Finn aus Holz und Planen einen Bretterverschlag zusammen. Hier wollte er fasten und meditieren. Und hier wurde er am 9. November 2017 gefunden, kurz bevor er starb.

Auch heute noch kommen Marion die Tränen, wenn sie daran denkt. „Es macht mich manchmal so wütend, dass er nicht auf uns gehört hat. Dass er einfach gegangen ist und uns hier zurückgelassen hat“, sagt sie. Und Ulli, ihr Mann, sagt: „Finn dachte, die Welt bräuchte seine Hilfe, dabei brauchte er selbst Hilfe.“ Die beiden sitzen am Esstisch in ihrem Haus in Hamburg-Volksdorf, mit viel Grün drum herum. Ein freundliches Paar, höflich und klug. Sie Lehrerin, er Architekt.

Wenn Ulli und Marion über ihren Sohn sprechen, dann sagen sie oft, dass es zwei Finns gab. Den Finn von vor seiner Südamerika-Reise im Jahr 2013. Und den Finn von danach. Über den Finn davor sagen seine Eltern: „ein Macher“, „ein Eroberer“, einer, „um den man sich nie Sorgen machen musste“.

Über den Finn danach sagen sie: „Er war oft verkrampft“, „wirkte ziellos“, „hatte die Leichtigkeit verloren“, „benahm sich seltsam“, „hatte komische Ansichten“ Und: „Wie konnte er diesen Unsinn nur glauben? Dass man nichts essen muss und sich nur von Licht ernähren kann?“ Diese Frage geht nicht weg. Vor allem, weil es keine Antwort gibt. Auch 16 Monate danach nicht.

Geist über Materie

Marion und Ulli sitzen in ihrem Wohnzimmer und blättern durch Fotoalben, durch alte Tagebücher. Alles haben sie durchgearbeitet auf der Suche nach Hinweisen auf dieses Wort, das sie erst nach Finns Tod kennenlernten: Lichtnahrung. Es ist ein Wort aus der Esoterikszene. Dahinter verbirgt sich die Idee, dass ein Mensch ohne Essen und ohne Trinken auskommen kann. Nur mit Licht und Meditation. Es ist nicht klar, wie viele Anhänger die Idee hat. Aber es gibt sie auf der ganzen Welt.

Ulli sagt: „Finn ist auf diesen Stuss hereingefallen.“ Vor ihm liegt ein Ordner mit dem Titel: „Über den Film ‚Am Anfang war das Licht‘ Recherchebericht und Dossier“. Der Bericht besteht aus 23 Seiten, die Ulli über viele Monate zusammengetragen hat. Es ist sein Versuch, das Unerklärliche zu erklären. Ulli will damit eine Szene entlarven, von der er bis zu Finns Tod nichts wusste. Und für die dieser Film zur Grundausbildung gehört. Er beschäftigt sich mit dem „unglaublichen Faktum“ der Lichtnahrung, dem „größten Rätsel der Wissenschaft“. 53 Menschen kommen darin zu Wort, viele davon berichten von einem Leben ohne Nahrung und Flüssigkeit, kaum einer weist auf die Gefahren hin.

In das Tagebuch, das Finns Eltern erst nach seinem Tod fanden, schrieb er: „Alle Energie ist in mir, Lichtnahrung, ich brauche nicht zu essen“

Der Regisseur meint, mit seinem Werk „ein veraltetes mechanistisch-materialistisches Weltbild“ zu hinterfragen. Erfolg hatte er damit. Der Film lief in Dutzenden Kinos und zur besten Sendezeit im öffentlich-rechtlichen Fernsehen in Österreich. Hunderttausende haben ihn gesehen, vielleicht Millionen. Finn war einer davon. Und Finn glaubte das, was er sah. Es gibt einen Brief, den Finn seiner Mutter schrieb, von einer seiner vielen Reisen. Darin heißt es: „Ich glaube an die Lichtnahrung, die Fähigkeit, ohne physische Nahrung gesünder, besser und energetischer zu leben, nach dem Prinzip: ‚Geist über Materie‘.“

Für Ulli und Marion steht deshalb fest, wie ihr Sohn gestorben ist: „Finn ist verhungert und verdurstet. Er hat sich zu Tode gefastet.“ Sie sind nicht die Einzigen, die das glauben. Auch Finns Brüder glauben das, viele seiner Freunde und die Menschen auf der Karibikinsel Dominica, die die letzten waren, die Finn lebend zu Gesicht bekamen.

Allen bleibt nur dieses Gefühl. Fassungslosigkeit. Ausgerechnet Finn, der Abenteurer, der Schulsprecher, der vor ein paar Jahren noch die Abiturrede hält, vor Hunderten von Menschen. Der Finn, der nicht sofort studieren will. Erst mal die Welt sehen. Erst mal Südamerika. Auch wenn Ulli und Marion das nicht gefällt. Einfach weg, und dann auch noch mit dem Geld des Opas, das doch eigentlich für die Ausbildung gedacht war. Aber Reisen ist doch auch eine Ausbildung, sagt Finn und lacht.

Kosmische Energie

Er reist durch Uruguay, Argentinien, Kolumbien, Chile. Zehn Monate später holen Marion und Ulli ihn vom Flughafen ab. Zusammen mit einem Plakat und vielen Freunden. Mit den Freunden sitzt er später am Lagerfeuer und erzählt von seinen Abenteuern. Von Übernachtungen in der Wildnis und Bädern in eiskalten Gletscherflüssen. Davon, wie er einen Indianerstamm getroffen hat, wie er sich Froschgift in den Arm geritzt hat. Er erzählt auch von der psychedelischen Droge Ayahuasca, die er probiert hat. Als reinigendes Ritual. Er nennt sie eine heilige, weise Pflanze, die ihm jetzt den Weg zeige. Selbst Ulli und Marion erzählt er das. Und alle hören immer zu, fasziniert, aber auch irritiert. Denn irgendwie ist Finn anders, denken die Eltern. Anders, denken die Brüder. Weniger lustig, weniger leicht. In den Wochen danach hängt Finn oft zu Hause rum, macht wenig, kifft viel. Ab und zu spielt er Gitarre, ab und zu geht er spazieren. Mach doch mal was, sagen Marion und Ulli, aber Finn erzählt lieber von den Youtube-Videos, die er sich anschaut. Meistens geht es um Esoterik. Erleuchtung. Und eine kaputte Konsumgesellschaft, die Finn überwinden möchte. Wenn sein Vater und er streiten, legt er ihm beruhigend die Hand auf das Bein.

„Er hat mich immer so wissend angeguckt, als wäre er der Sehende und wir die Blinden“, sagt Ulli. Das habe ihn rasend gemacht. Diese Arroganz. Auch über Finns Drogenkonsum hätten sie gestritten.

Finn fängt an, nur noch barfuß zu laufen, sich von Rohkost zu ernähren. Im November 2015 zieht er nach Altona in eine WG. Er beginnt ein Freiwilliges Soziales Jahr, das er später wieder abbricht, und ist ansonsten viel unterwegs: Vor allem auf Rainbow-Gatherings, Hippie-Festivals, die in ganz Europa stattfinden. Er lebt bescheiden, von Ersparnissen, sein Essen sammelt er sich aus Containern zusammen. Und immer häufiger besucht Finn nun Celia, seine Vermieterin, eine Frau Ende vierzig, die als Aussteigerin auf einem Hof an der Nordsee lebt. Finn nennt sie seine Seelenverwandte.

Finn auf dem Hof seiner Bekannten Celia beim Feuerholzsägen. Hier begann Finn erstmals, mit dem Fasten zu experimentieren.

„Finn war auf der Suche. Das konnten wir spüren. Aber er scheiterte auch. Und das war er ja überhaupt nicht gewohnt“, sagt Marion. Ulli nickt. Er glaubt, dass Finn irgendwann in dieser Zeit, als er zu Celia auf den Hof zog, den Lichtnahrungsfilm angeschaut haben muss. Denn dort, zwischen Schafen und Gänsen, beginnt Finn, zu experimentierten und Celia davon zu erzählen. Nach einem Rainbow-Festival probiert er das 21-Tage-Programm der australischen Esoterikerin Ellen Greve, die behauptet, seit Jahren ohne Nahrung auszukommen. Das Programm: sieben Tage kein Essen und Trinken; dann sieben Tage kein Essen und zu trinken nur stark verdünnten Fruchtsaft; und schließlich kein Essen, und weniger stark verdünnten Fruchtsaft. Am Ende soll die Erlösung stehen.

Finn hält ein paar Tage durch, ist danach aber schwach und blass, er torkelt, zittert. Obwohl er wie in Trance behauptet, es gehe ihm fantastisch, wird Celia die Sache unheimlich. Sie schickt ihn nach Hause. Aber seinen Eltern erzählt Finn nichts von alledem. Er isst sogar einigermaßen normal. Doch das Thema lässt ihn nicht los. Wieder bei Celia auf dem Hof versucht er es erneut. Im Februar 2016 schreibt er in sein Tagebuch: „Selten hat mich ein Thema, haben Informationen mich in kurzer Zeit so sehr verändert wie die Lichtnahrung.“ Er notiert Träume, die er während des Fastens hat, schreibt eine Art Gedicht: „Alle Energie ist in mir, Lichtnahrung, ich brauche nicht zu essen, Pranaismus, kosmische Energie, ich falle auf die Knie und bete.“ Danach wird seine Schrift unleserlich.

Keine Chance

Ulli und Marion kommt ihr Sohn in dieser Zeit immer eigentümlicher vor. Nicht nur verloren, sondern auch verwirrt. Beim Geburtstag von Ullis Schwester steht Finn neben sich, tanzt nicht, obwohl er doch sonst immer tanzt, und quatscht auf dem Nachhauseweg wildfremde Menschen an. Er spricht mit komischer Stimme, redet wirres Zeug, Marion kommen die Tränen. Danach entscheiden sie und Ulli, dass etwas passieren muss. Sie überreden Finn, ins Universitätsklinikum zu gehen, in die Psychiatrie. Und Finn willigt ein, wohl aus Liebe zu seinen Eltern. Als der Psychiater zwei Wochen später, so meint sich Ulli zu erinnern, von einer Psychose spricht, lächelt Finn nur. „Ach, was ist schon eine Psychose“, sagt er und zieht zurück zu Celia aufs Land, wo er zumindest mit einer ambulanten Therapie beginnt.

„Ich hatte keine Ahnung, wie man mit jemandem umgeht, der psychisch so labil ist. Ich dachte, er kriegt Psychosen, weil er kifft“, sagt Ulli. Ihn ärgert bis heute, dass er so „unsensibel“ war. Sich mit dem Thema nicht genug auseinandergesetzt hat, wie er heute glaubt. Denn irgendwann, einige Monate später, verkündet Finn seinen Plan: Südamerika. Heiler werden.

Marion und Ulli sagen, dass sie in diesem Moment „hintenübergefallen“ seien. Die ultimative Katastrophe. Deshalb ja auch das ganze verrückte Zeug: Der Familienrat, der verbrannte Pass, der Anruf bei der Airline. Am Ende sprechen sie sogar mit Finns Therapeut, wollen eine Zwangseinweisung erwirken. Doch der Therapeut zuckt mit den Achseln. Finn sei erwachsen, seine psychischen Probleme nicht so gravierend. Keine Chance.

Nachdem Finn sich von Marion am Waldrand verabschiedet hat, beginnt seine große Reise. Er trampt durch Frankreich, durch Spanien, pennt unter seiner Plane im Freien, auf Sofas bei Freunden und Fremden. Zwei Russen nehmen ihn schließlich in ihrem Segelboot mit bis in die Karibik.

Die Eltern hören nur selten etwas von ihrem Sohn. Wenn Ulli um Finn Angst hat, und das hat er ziemlich oft, dann liegt er nachts wach und schaut, ob Finn bei Facebook online war. Manchmal erwischt er ihn dort auch, schreibt ein paar Zeilen, bekommt einsilbige Antworten.

„The Nature Island“

Aber Finn wirkt stabil. Das ist doch das Wichtigste, denken sich Marion und Ulli. Nur einmal, da ruft Finn panisch von der Antilleninsel Martinique an. Er brauche Geld, mehr als 300 Euro. Er habe eine Bootsluke beschädigt, und wenn er den Schaden nicht bezahle, rufe der Kapitän die Polizei. Marion und Ulli wissen nicht, was sie tun sollen. Würde Finn ohne ihr Geld wirklich ins Gefängnis müssen? Und wäre das nicht vielleicht besser für ihn, weil er danach nach Hause käme? Aber würde er dann noch mit ihnen sprechen? Sie überweisen ihm schließlich das Geld. Ein paar Monate später besteigt er eine Fähre nach Dominica, zur letzten Station seiner letzten Reise.

Heute sagen Marion und Ulli: „Vielleicht war es ein Fehler, ihm das Geld zu geben.“ Von diesen Vielleichts gibt es viele. Vielleicht wäre es nie so weit gekommen, wenn Finn diesen Film nicht gesehen hätte oder wenn er mit dem Kiffen aufgehört hätte oder in der Psychiatrie geblieben wäre. Vielleicht würde Finn noch leben, wenn sie ihm hinterhergereist wären. Das weiß keiner. Aber diese Frage, die bekommen sie nicht aus dem Kopf, da können sie noch so oft zum Therapeuten rennen. Genau wie die Erinnerungen daran, wie sie damals vor der Weltkarte sitzen und Finns Route im Kopf nachfahren. Wie Marion ständig den Wetterbericht aktualisiert und Ulli jeden Tag vor der Wirbelsturm-App sitzt, um zu schauen, wo sich Hurrikane zusammenbrauen. Es ist ja Saison. Wie jedes Jahr in der Karibik: Juni bis November.

Finns Eltern sagen, dass es zwei Finns gab: Den Finn von vor seiner großen Südamerikareise und den Finn von danach

Auch auf Dominica. Aber Finn gefällt es dort. Auf Dominica gibt es kilometerweit unberührte Natur und vor allem Ruhe. Die Einheimischen nennen ihre Heimat: „The Nature Island“.

Einer dieser Einheimischen ist der Ziegenhirte Thomas. Er überlässt Finn ein kleines Stück Land im Tal des Dschungels, wenn der ihm dafür manchmal zur Hand geht. Finn spannt seine Plane auf, packt bei der Arbeit mit an, wandert, fastet und spricht davon, wie wichtig ihm das ist. Am 18. September 2017 bekommt er eine SMS von Marion. „Der Hurrikan kommt!“

Am selben Tag klopft er an die Tür der Wanderführerin Jillianne: „Kann ich meine Hängematte vielleicht hier draußen aufhängen?“ „Bist du verrückt? Das ist ein Hurrikan.“ Jillianne gibt Finn ein Zimmer, und wenige Stunden später peitscht Hurrikan „Maria“ über die Insel, reißt Bäume aus, zerstört Häuser. 65 Menschen sterben in dieser Nacht, allein auf Dominica. Finn hilft mit, das Chaos zu beseitigen. Jillianne fotografiert ihn von ihrer Terrasse aus, es ist das letzte Bild, das Finn lebend zeigt. Kurzgeschorene Haare, Badelatschen, den Blick auf den Boden gerichtet.

Theorie der Lichtnahrung

Finn steigt wieder hinab ins Tal und zimmert sich aus Holz und Wellblech eine kleine Schlafkabine zusammen, er richtet sich ein. Was er jetzt machen möchte, fragt ihn Thomas. Finn antwortet: „Fasten.“ Was in den nächsten Tagen passiert, weiß keiner.

Finn beim Kastagnettenspielen

Aber als Thomas Finn das nächste Mal sieht, an diesem 9. November 2017, ist Finn nicht mehr bei Bewusstsein. Thomas hört noch, wie Finns Lunge einige Male Sauerstoff in den Kreislauf pumpt, wie sein Herz noch einige Male schlägt. Dann ist es still.

Finn Bogumil, der Sohn von Ulli und Marion, der Junge ohne Angst, stirbt im Dschungel von Dominica. Sein Körper ist schmutzig. Das Gesicht schaut Richtung Himmel.

Zehn Tage später fliegen seine Eltern auf die Insel. Sie lernen Jillianne und Thomas kennen, erfahren von der Theorie der Lichtnahrung. Es ist ein Begriff, der auch in einem von Finns alten Briefen stand, aber er war ihnen nicht aufgefallen zwischen all den anderen obskuren Dingen. Als sie wieder in Deutschland sind, schaut Ulli den Film „Am Anfang war das Licht“ an. Danach schreibt er an Programmdirektoren, an Versandunternehmen und Streamingplattformen, schreibt von der Gefahr, die der Film sei, schreibt, was mit seinem Sohn passiert ist. Manche nehmen den Film daraufhin aus dem Sortiment, andere nicht.

Finn, der Abenteurer, auf seiner Reise durch Südamerika im Jahr 2014. „Ich muss das Feuer erst anfassen“, sagte er einmal, „damit ich weiß, dass es brennt“.

Ulli schreibt auch an den Regisseur des Films. „Ziehen Sie bitte Ihren Film endgültig aus dem Verkehr. Damit ersparen Sie uns und eventuell künftigen Opfern und deren Angehörigen viel Leid.“ Der Regisseur antwortet, dass der Verlust ihm leidtue.

„Ich vermisse ihn einfach so sehr.“

Er betont, dass der Film mehrfach und unmissverständlich vor den Gefahren des „Lichtnahrungsprozesses“ und ähnlicher Experimente warne. Ulli schreibt er aber auch: „Sie halten ihren materialistischen Glauben für die Wahrheit. Das ist wie in der katholischen Kirche vor ein paar Hundert Jahren.“ Und: „Dass unser Körper rein kalorisch ernährt wird, ist mittlerweile sogar mit der wissenschaftlichen Methode widerlegt.“ Irgendwann antwortet Ulli nicht mehr. Der Streit habe ihm nicht gutgetan, sagt er. „Ich weiß ja, dass das vielleicht alles nichts bringt und dass die Filmemacher zumindest keine juristische Schuld trifft – aber ich vermisse ihn einfach so sehr.“ Ullis Blick wandert zum Regal, zu der Kokosnuss, die sie mitgenommen haben von dem Ort, an dem Finn starb. Dann erzählt Ulli, dass er jetzt auch angefangen habe zu fasten. Nicht so wie Finn natürlich, nur Intervallfasten, aber irgendwie fühle er sich Finn damit wieder näher. Zumindest ein bisschen.

Die Geschichte von Finn Bogumil recherchierten Jonas Breng und Josef Saller vom stern sowie der freie Journalist Hristio Boytchev und der NDR-Reporter Christian Deker, die über Finn auch einen Film für die Sendung „Panorama – die Reporter“ drehten. Sie finden ihn in der NDR-Mediathek.


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