Zu viele Chemikalien im Blut von Kindern und Jugendlichen – Naturheilkunde & Naturheilverfahren Fachportal

Kinder und Jugendliche haben zu viele gefährliche Chemikalien im Blut

Eine aktuelle Auswertung zeigt, dass Kinder und Jugendliche in Deutschland zu viele langlebige Chemikalien aus der Stoffgruppe der per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen, kurz PFAS, im Blut haben. Erhöhte Werte dieser Substanzen im Blut können laut Fachleuten unter anderem die Cholesterinwerte und die Neigung zu Infekten erhöhen. Zudem gibt es Hinweise, dass sie die Leber schädigen können und vermutlich krebserzeugend wirken.

In Deutschland haben Kinder und Jugendliche zwischen drei und 17 Jahren zu viele langlebige Chemikalien aus der Stoffgruppe der per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) im Blut. Das zeigt die Auswertung der repräsentativen Deutschen Umweltstudie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, GerES V.

Substanzen reichern sich im Menschen an

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Wie das Umweltbundesamt in einer Mitteilung berichtet, kommen PFAS nicht natürlich vor. Diese Substanzen sind chemisch und thermisch sehr stabil. So reichern sie sich im Menschen und weltweit in der Umwelt an. PFAS werden beispielsweise in der Beschichtung von Kaffeebechern, für Outdoorjacken oder Löschschäume verwendet, weil sie fett-, wasser- und schmutzabweisend sind.

„Welche Schäden die langlebigen PFAS in der Umwelt auf Dauer anrichten können, ist häufig noch unerforscht. Wir versuchen daher, gemeinsam mit anderen europäischen Ländern, diese Stoffe in der EU so weit wie möglich zu verbieten. Dies ist aus Vorsorgegründen der richtige Schritt“, so Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes.

Gestillte Kinder höher belastet

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Die Stoffgruppe der PFAS umfasst mehr als 4.700 verschiedene Chemikalien. In der aktuellen Studie wurden am häufigsten PFOS (Perfluoroktansulfonsäure) und PFOA (Perfluoroktansäure) gefunden. Den Angaben zufolge waren 100 Prozent aller Kinder in der Studie mit PFOS belastet. PFOA fand sich in 86 Prozent der insgesamt 1.109 untersuchten Blutplasma-Proben.

Damit liegen die Werte teils über den von der Kommission Human-Biomonitoring (HBM) festgelegten Schwellen. 21,1 Prozent der Proben lagen über dem HBM-I-Wert für PFOA, 7,1 Prozent über dem HBM-I-Wert für PFOS. Und 0,2 Prozent der Proben überschritten den HBM-II-Wert für PFOS. Der HBM-II-Wert beschreibt laut den Fachleuten eine Konzentration, ab der nach heutigem Kenntnisstand eine relevante gesundheitliche Beeinträchtigung möglich ist. Die Belastung sollte dann in jedem Fall reduziert werden.

Wie das Umweltbundesamt (UBA) erklärt, reichern sich PFAS vornehmlich im Fettgewebe an und können auch über die Muttermilch von Mutter auf das Kind übergehen. Die GerES-V-Ergebnisse zeigen, dass gestillte Kinder stärker mit PFAS belastet sind als nicht gestillte Kinder.

Erhöhte Konzentrationen von PFOA und PFOS im menschlichen Blut können den Fachleuten zufolge Wirkungen von Impfungen vermindern, die Neigung zu Infekten erhöhen, die Cholesterinwerte erhöhen und bei Nachkommen ein verringertes Geburtsgewicht zur Folge haben.

Zudem ist aus Tierversuchen bekannt, dass die Verbindungen PFOA und PFOS die Leber schädigen sowie entwicklungstoxisch und vermutlich krebserzeugend wirken, schreibt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) auf seiner Webseite.

Kontakt-Vermeidung ist nicht einfach

Weil PFAS in sehr vielen Produkten verwendet werden, ist es nicht einfach, den Kontakt mit diesen Chemikalien zu vermeiden. Verbraucherinnen und Verbraucher können zum Beispiel auf in beschichteten Kartons aufbewahrte Lebensmittel verzichten. Schmutzabweisende Textilien wie Teppiche oder Vorhänge tragen ebenfalls zur Belastung bei. Weitere Tipps für einen PFAS-ärmeren Haushalt gibt es auf den Internetseiten des UBA.

Problem für die Umwelt

Auch für die Umwelt sind PFAS ein Problem: Aufgrund ihrer Langlebigkeit verteilen sie sich über Luft und Meeresströmungen großflächig rund um den Erdball. PFAS gelangen über vielfältige Wege in die Umwelt. So können sie durch die Abluft von Industriebetrieben in umliegende Böden und Gewässer verlagert werden.

Außerdem können PFAS auch an Partikel anhaften und so über weite Strecken in der Luft bis in entlegene Gebiete transportiert werden. Daher findet man PFAS auch in den Polargebieten und alpinen Seen, weit weg von industrieller Produktion und menschlichen Siedlungen. Über Regen und Schnee gelangen die Chemikalien aus der Luft wiederum in Boden und Oberflächengewässer. Zusätzlich werden sie über das behandelte Abwasser in Gewässer eingetragen oder verunreinigen Böden durch die Verwendung von PFAS-haltigen Löschschäumen.

Da sie sich nicht abbauen, verbleiben PFAS in Wasser und Boden und reichern sich an. Auswertungen der Umweltprobenbank zeigen, dass zum Beispiel Seehunde, Seeadler oder Otter stark mit PFAS belastet sind. Über das Wasser landen die Chemikalien dann in Fischen und so auch in Tieren, die sich von Fisch ernähren. In Eisbärlebern wurden die Stoffe ebenfalls schon nachgewiesen.

„Im Sinne einer sicheren Chemie gehören diese Chemikalien auf den Prüfstand. Die Perfluorchemie hat für mich wenig Zukunft. Nur Erzeugnisse und Materialien, die wirklich notwendige Leistungen etwa für den Gesundheitsschutz, z. B. für medizinische Geräte oder Schutzkleidung für Feuerwehren bereitstellen, sollten weiter genutzt werden dürfen“, so Dirk Messner.

Aufgrund der Größe der Stoffgruppe ist das Verbot oder die Beschränkung von einzelnen Chemikalien laut den Fachleuten nicht sinnvoll. Das UBA erarbeitet derzeit mit anderen Behörden aus Deutschland, den Niederlanden, Dänemark, Schweden sowie Norwegen ein weitgehendes EU-weites Verbot im Rahmen der EU-Chemikalienverordnung REACH für die gesamte Stoffgruppe.

Besonders besorgniserregende Stoffe

Manche PFAS gelten unter REACH bereits als besonders besorgniserregende Stoffe (sogenannte substances of very high concern, SVHC), weil sie sehr langlebig sind, sich in Organismen anreichern und für Menschen schädlich sein können.

Für besonders besorgniserregende Stoffe gelten im Rahmen der REACH-Verordnung besondere Auskunftspflichten und es kann eine Zulassungspflicht entstehen, das heißt nur explizit zugelassene Verwendungen dürfen weiter genutzt werden. Zu den besonders besorgniserregenden Stoffen unter REACH gehört beispielsweise PFOA.

Außerdem gelten für einige PFAS (zum Beispiel für PFOA inklusive der Vorläuferverbindungen) bereits jetzt Beschränkungen bei der Herstellung und bei der Verwendung – so darf PFOA ab Juli 2020 nicht mehr in der EU hergestellt werden. Für Verbraucherprodukte gelten strenge Grenzwerte für PFOA und Vorläuferverbindungen. Den Angaben zufolge zeigt diese Regulierung auch Erfolge: In der Umweltprobenbank des UBA lässt sich demnach nachvollziehen, dass die Belastung der Menschen mit PFOA und PFOS im Zeitverlauf abnimmt. (ad)

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