Wie schwer krank macht Arcturus? Das sagen die Fachleute

Die einen sind in Alarmbereitschaft, die anderen recht entspannt: In Indien lässt die neue Corona-Variante XBB.1.16 die Infektionen in die Höhe schnellen. Deutschland dagegen erlebt eine zweite Grippewelle. So äußern sich die Erkrankungen.

In Deutschland tragen die Menschen immer seltener Maske, bauen Metzger die Plexiglastrennscheiben ab und es gelten beinahe keine Corona-Maßnahmen mehr. Letzte Einreiseregeln für Urlaubsrückkehrer und die Maskenpflicht für Besuche in Gesundheitseinrichtungen laufen zu Ostern aus.

Ganz anders sieht die Lage derzeit in Indien aus. Dort erinnern Verantwortliche wieder an Schutzmöglichkeiten wie das Vermeiden von Menschenmassen. Die neue Corona-Variante XBB.1.16 lässt dort die Fallzahlen seit ein paar Wochen ansteigen – wenn auch noch auf niedrigem absolutem Niveau.

Der indische Experte Vipin Vashishta, Kinderarzt sowie Forscher am Mangla Hospital and Research Center im indischen Bijnor und Mitglied der WHO-Vakzin-Gruppe, zeigte sich alarmiert. Auch ein Toter stehe in Maharashtra mit der Arcturus genannten Variante in Verbindung. Wie die weitere Entwicklung verlaufen werde, lasse sich aktuell noch nicht absehen, twitterte der Mediziner. In einigen Regionen Indiens ist XBB.1.16 schnell die dominierende Variante geworden.

Wie krank macht die Omikron-Sublinie? Warum kann sie unserer Immunität ausweichen? Wie ist die Lage in Deutschland? Und wie unterscheiden sich die Symptome von der Grippe, die Influenza-B-Viren hierzulande gerade auslösen. Die wichtigsten Fragen im Überblick:

Wo ist der Ursprung von Arcturus?

Das Coronavirus mutiert und entwickelt sich ständig weiter. So entspricht es seiner Natur. XBB.1.16 kann nun offenbar der von Menschen entwickelten hybriden Immunität – die entsteht, wenn jemand sowohl geimpft als auch infiziert war – auszuweichen. In Pune wurde der erste Fall von XBB.1.16 am 3. Februar 2023 entdeckt, wie „ Hindustan Times “ berichtet, bevor es am 5. März weltweit offiziell so bezeichnet wurde. In Mumbai trat die Variante erstmals am 11. März auf.

Wie sieht die Struktur von XBB.1.16 aus?

Die Sublinie zeichnet sich laut Robert-Koch-Institut (RKI) durch drei zusätzliche Mutationen im sogenannte Spikeprotein (E180V, K478R, S486P) aus. Das ist noch nicht alles. „XBB.1.16 hat noch einmal eine Reihe weiterer Änderungen im Genom, die nicht nur das Spike-Protein betreffen, sondern auch das sogenannte ORF9b-Gen, welches an der Unterdrückung der Interferon-Antwort beteiligt ist“, erläutert Friedemann Weber, Leiter des Instituts für Virologie der Universität Gießen, die biologischen Details für FOCUS online.

Interferone sind Botenstoffe, welche von infizierten Zellen produziert werden, um andere Zellen vor der Infektion zu warnen und Gegenmaßnahmen einzuleiten. Sars-CoV-2 hat allerdings eine ganze Reihe dieser sogenannten Interferon-Antagonisten, und ORF9b gehörte bisher nicht zu den stärksten Vertretern.

Daher lautet Webers Fazit: „Ich erwarte nicht, dass die beiden XBB.1.16-spezifischen Mutationen in ORF9b dies radikal ändern würden. Zusammen mit den neuen Spike-Mutationen zeigt das, dass XBB.1.16 sicher Potenzial hat, vorhandener Immunität ein Stück weit davonzulaufen.“

Wie gefährlich ist Arcturus?

Experten warnen vor Panik, noch gebe es kaum belastbare Daten. Der Aspekt, wie gut unser Immunsystem Arcturus abwehren kann, wird mitentscheiden, wie gefährlich die Variante sich entwickelt. XBB.1.16 könne die „Immunität geschickt umgehen“, erklärt Rajesh Karyakarte, Der Leiter der Mikrobiologie am B J Medical College (BJMC) hat die ersten Arcturus-Vertreter sequenziert und am 10. März das Gesundheitsministerium informiert. Das gelte laut Aussagen eines seiner Teammitglieder auch für die robuste Immunität nach Impfung und Infektion. Gleichzeitig breitet sich die Variante noch einmal schneller aus als ihre Vorgänger – und hat diese nun in ersten Regionen verdrängt.

Noch allerdings ist die Zahl der Krankenhauseinweisungen deswegen nicht sprunghaft angestiegen. „Die meisten Patienten hatten milde Symptome“, berichtet Karyakarte „ The Times of India “.

Was sind die Symptome von XBB.1.16?

Rajas Walinjkar, Arzt im Seven Hills Hospital, das viele stationäre Patienten behandelt, beschreibt die Symptome folgendermaßen :

  • Fieber, das weniger als 48 Stunden anhält,
  • Halsentzündung
  • Gliederschmerzen

Das ist demnach ein ähnliches Profil, wie es sich auch bereits mit den vorherigen Omikron-Varianten zeigte.

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Wie unterscheiden sich die Symptome des aktuellen Influenza-B-Virus davon?

Wie schon im Vergleich zu anderen Sars-CoV-2-Varianten, unterscheiden sich die Krankheitszeichen nur marginal und variieren von Mensch zu Mensch. Etwa ein Drittel aller Grippe-Erkrankungen beginnt typischerweise mit

  • einem plötzlich einsetzenden Krankheitsgefühl,
  • Fieber,
  • Halsschmerzen und
  • trockenem Husten.
  • Begleitend können
  • Muskel-,
  • Glieder-,
  • Rücken- oder
  • Kopfschmerzen hinzukommen.

„Besonders bei älteren Menschen sind die Krankheitszeichen häufig nicht so ausgeprägt“, schreibt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) weiter. Sie ähneln eher einer Erkältung. „Bei einem unkomplizierten Verlauf gehen die Beschwerden nach fünf bis sieben Tagen zurück. Der Husten kann aber deutlich länger anhalten.“

Die Erkrankung kann unterschiedlich schwer verlaufen – mit leichten oder auch ganz ohne Beschwerden. Doch auch auch schwere Krankheitsverläufe mit Todesfolge sind möglich. Als häufigste Komplikationen gelten Lungenentzündungen. Kindern können auch Mittelohrentzündungen entwickeln. Entzündungen des Gehirns oder des Herzmuskels treten nur selten auf.

Wie verbreitet sind Grippe und Corona in Deutschland?

Die aktuelle zweite Grippewelle beginnt gerade sich etwas abzuflachen. Sie hatte sich unmittelbar an die Winterwelle mit Influenza-A-Viren angeschlossen. Durch Influenza B sei es zu einer Verlängerung der Grippewelle gekommen, hatte das RKI kürzlich auf dpa-Anfrage erklärt, aber nicht zu einer Unterbrechung um den Jahreswechsel.

Die Aktivität akuter Atemwegserkrankungen (ARE-Rate) in der Bevölkerung (GrippeWeb) lag ab der vierten Kalenderwoche auf einem relativ stabilen hohen Niveau. Der aktuelle Wert befand sich im oberen Wertebereich der vorpandemischen Jahre um diese Zeit.

Zur Verbreitung schreibt das Robert-Koch-Institut im aktuellen Wochenbericht zu akuten Atemwegserkrankungen (ARE) : Ende März wurden Influenzaviren und Sars-CoV-2 in allen Altersgruppen nachgewiesen. Influenzaviren zirkulierten vorwiegend bei den Schulkindern (fünf bis 14 Jahre) und den jungen Erwachsenen (15 bis 34 Jahre).

Die Sars-CoV-2-Positivenrate war in der zwölften Kalenderwoche bei den Säuglingen (bis ein Jahr) am höchsten, jedoch wurden auch weiter bei den ab 60-Jährigen häufig Sars-CoV-2 detektiert. Die Corona-Zahlen gelten allerdings als wenig belastbar, da viele Menschen gar keinen PCR-Test mehr machen lassen oder auch gar nicht bekommen.

Wann ist ein Test sinnvoll?

Wer aktuell in Deutschland von Fieber, Halsschmerzen oder anderen Symptomen akuter Atemwegserkrankungen geplagt ist, leidet vermutlich eher an einer Infektion mit Influenza-B als an einer mit XBB.1.16 – wenn auch dessen Ausbreitung in Deutschland noch unklar ist (siehe unten).

„Bei mildem Schnupfen, Husten oder Halsschmerzen muss man sich nicht sofort testen lassen“, erklärt Martin Scherer, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) der „ Stiftung Gesundheitswissen “ zum Corona-Test. „Sobald aber weitere Beschwerden, wie etwa Fieber hinzukommen, kann ein Test sinnvoll sein – vor allem dann, wenn man sich unter Menschen begeben möchte.“ Wer die Möglichkeit habe, einige Tage auf Kontakte mit anderen Menschen zu verzichten und sich zu Hause zu isolieren, brauche bei milden Symptomen nicht zwingend einen Test – vorausgesetzt die Beschwerden ließen sich gut mit Ruhe und Hausmitteln beherrschen. Wer sich nicht sicher sei, könne den Hausarzt oder die Hausärztin fragen, ob ein Test nötig sei.

Wie krank macht Arcturus?

Bisher ist wenig bekannt über die krankmachende Fähigkeit von XBB.1.16. Aus Indien meldete der Mediziner Vipin Vashishta einen Todesfall, der in Verbindung mit Arcturus gebracht wird. Ansonsten zeigen sich, wie erwähnt, überwiegend milde Verläufe.

Zur momentan in Deutschland vorherrschenden Sublinie XBB.1.5 schreibt das RKI: Vorläufige Daten deuten nicht auf eine erhöhte Krankheitsschwere hin.

Für Arcuturus erwarten Experten das ebenfalls nicht. „Ich glaube nicht, dass es wieder zu vielen schweren Verläufen durch Arcturus kommen wird“, erklärt Ulf Dittmer, Direktor des Instituts für Virologie des Universitätsklinikums Essen, auf Nachfrage von FOCUS online. Besonders Menschen, die erst geimpft wurden und dann leicht/mittelschwer erkrankt seien, hätten eine ganz breite Immunität – durch Antikörper, wie auch durch T-Zellen. Das treffe auf sehr viele in Europa zu. „Das schützt sie sehr gut vor schwerer Erkrankung und dem kann keine denkbare Variante vollständig aus dem Weg gehen.“

Die Zahl der Arcturus-Fälle in Deutschland

Bei Arcturus handelt es sich um eine Sublinie der in Deutschland mittlerweile dominanten Omikron-Rekombinanten XBB.1. Für Deutschland erwartet das RKI in den kommenden Wochen weiter steigende Anteile von XBB.1-Sublinien.

Bisher ist die Rede von sechs Fällen in Deutschland. Genau kennen Fachleute die Zahlen allerdings nicht. Denn im aktuellsten Wochenbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) ist XBB.1.16 nicht gesondert ausgewiesen.

Die niedrige Zahl kann auch damit zusammenhängen, dass nicht mehr alle Infizierten einen PCR-Test machen lassen, der für die Sequenzierung der Variante nötig ist.

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