Heimversorgung – (wann) lohnt sich das?

Heute ist die INTERPHARM online gestartet. Der erste Teil des großen pharmazeutischen Fortbildungskongresses trägt den Titel „Heimversorgung KOMPAKT“ und bietet vielfältige Anregungen zu allen Facetten des Themas. Dazu gehörte am heutigen Vormittag die Grundsatzfrage „(wann) lohnt sich das?“. Antworten präsentierte Professor Reinhard Herzog, Tübingen, in seiner Analyse.

In seinem Vortrag beim Kongresstag „Heimversorgung KOMPAKT“ betrachtete Herzog zunächst das Volumen und die Entwicklung des relevanten Marktes. Demnach entfällt knapp die Hälfte der Apothekenumsätze auf Menschen im Alter von über 65 Jahren. Von den etwa 60 Milliarden Euro Gesamtumsatz macht der Heimmarkt nur gut 1 Milliarde Euro aus. Auf die Patienten in häuslicher Pflege entfallen dagegen etwa 4 Milliarden Euro Umsatz. Von den etwa fünf Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland leben nur 20 Prozent in Heimen. Das sind rechnerisch etwa 44 Pflegeheimbewohner pro Apotheke.

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Nach Einschätzung Herzogs ist das ein „hochspezialisierter, aber hart umkämpfter Markt“. Von einem Pflegeheimbewohner könne eine Apotheke mindestens einen Netto-Jahresumsatz von 1.000 Euro, realistischerweise eher 1.200 bis 1.500 Euro für 20 bis 30 Rx-Packungen erwarten, bei Privatpatienten 40 bis 50 Prozent mehr. Das ergebe einen Rohertrag von 200 bis gut 300 Euro pro GKV-Patient im Pflegeheim, erklärte Herzog. Zugleich dämpfte er die Erwartungen an den demografischen Wandel. Allein aufgrund des demografischen Effektes würden die Apothekenumsätze in den kommenden 30 Jahren inflationsbereinigt nur um etwa 10 Prozent steigen. Die Effekte durch Innovationen seien dagegen viel stärker wirksam.

„Zeit ist der Erfolgs- oder Misserfolgsfaktor schlechthin“

Herzog stellte verschiedene Ansätze vor, wie Apotheken mit unterschiedlich großen Zahlen von Heimpatienten umgehen. In jedem Fall seien die Kosten und die Verfügbarkeit des Personals wesentlich für die betriebswirtschaftlichen Folgen. Er rechnete vor, dass 170 Heimbetten eine PTA finanzieren, aber damit seien noch keine Sachkosten gedeckt und es werde noch kein Ergebnis erzielt. Daraus folgerte Herzog: „Zeit ist der Erfolgs- oder Misserfolgsfaktor schlechthin.“ Die Heimbelieferung sei großenteils eine organisatorische Herausforderung. Gefragt sei eine qualitativ gute Versorgung mit schlanken Prozessen.

Wie rechnet sich das Blistern?

Im Vergleich zu Offizinkunden entfällt bei der Heimversorgung die Zeit im Handverkauf. Stattdessen kommen Kosten für die Verwaltung und Belieferung hinzu. Die größten Kostenpositionen seien aber das Stellen oder Verblistern, sei es durch die Arbeit in der Apotheke oder das Honorar für ein externes Blisterzentrum. Bei der letzteren Version gehe zudem in der Apotheke Rabatt verloren. 

Herzog ging auf Vor- und Nachteile verschiedener Varianten der Verblisterung ein. Doch betriebswirtschaftlich zähle letztlich die Relation zwischen dem Entgelt für das Blisterzentrum und dem Preis, den das Heim für den Blister zahlt. Herzog ging dabei von wöchentlichen Kosten in der Größenordnung von 3 bis 3,50 Euro mit verschiedenen weiteren Konditionen aus, während Heime vielfach nur 1 bis 2 Euro pro Woche zahlten. Dann gebe die Apotheke einen Teil des Rohertrags ab.

Betriebswirtschaft spricht meist für Lieferung von Packungen

Herzog stellte den Ablauf der Entscheidungsfindung für oder gegen eine Heimversorgung mit Rechenbeispielen vor. Vom erwarteten Rohertrag sollten zunächst die Kosten für die Arbeitsabläufe, die damit verbundenen Sachkosten und im nächsten Schritt die Kapitalkosten für Investitionen abgezogen werden. Nur bei einem positiven Zwischenergebnis lohnen sich weitere Betrachtungen zur Deckung der Gemeinkosten.

Erst danach ergibt sich der betriebswirtschaftliche Gewinn oder Verlust. In einer Beispielrechnung mit realitätsnahen Annahmen ermittelte Herzog die Belieferung eines Heimes mit Packungen als Konzept mit dem höchsten Deckungsbeitrag pro Patient. Das manuelle Stellen könne dagegen sogar schnell in die Verlustzone führen. Beim Blistern hänge dagegen alles am Preis, den das Heim für diese Leistung bezahlt. Für Herzog ist daher das Liefern das betriebswirtschaftlich beste Modell, es sei denn, das Heim zahlt weitgehend die Kosten für das Blistern.

Apotheken im Spannungsfeld

Damit wurde schon in den ersten beiden Vorträgen das Spannungsfeld deutlich, in dem sich Apotheken bei der Heimversorgung bewegen. Denn im vorangegangenen Vortrag mit dem Titel „Spezielle Versorgungsbereiche unter der Lupe“ hatte Heike Gnekow, Hamburg, gezeigt, dass das Blistern pharmazeutisch mehr Möglichkeiten bietet. Es gehe darum sicherzustellen, dass die Patienten die richtigen Arzneimittel zur richtigen Zeit anwenden. Dafür favorisiert Gnekow den Einsatz von Schlauchblistern.


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