Trotz Rückruf wegen krebserregender Substanzen: Warum Du Blutdrucksenker auf keinen Fall absetzen darfst

Nach der großen Rückrufaktion im Sommer nehmen Hersteller immer noch Blutdrucksenker mit Sartan-Wirkstoffen vom Markt. Bei deren Herstellung ist eine krebserregende Substanz entstanden. Ärzte warnen aber vor dem sofortigen Absetzen der Medikamente: Ein nach oben rasender Blutdruck ist viel gefährlicher für die Gesundheit.

Im Sommer 2018 musste mehr als ein Dutzend Anbieter viele ihrer Blutdruckmittel mit dem Wirkstoff Valsartan aus Großhandel und Apotheken zurückrufen. Kontrollen der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) hatten ergeben, dass bei der Herstellung von Valsartan beim chinesischen Produzenten Zhejiang Tianyu krebserregende N-Nitrosamine in den blutdrucksenkenden Wirkstoff gelangt waren. Der Rückruf aller betroffenen Chargen erfolgte europaweit.  

Seither wurden immer wieder einzelne kleinere Chargen sartanhaltiger Blutdruckmittel (auch bekannt als Angiotensin-II-Rezeptorblocker) zurückgerufen, weil darin riskante Mengen an N-Nitrosodimethylamin (NDMA) beziehungsweise N-Nitrosodiethylamin (NDEA).

Schon wieder Rückrufe von Blutdrucksenkern

Zuletzt waren es Blutdrucksenker mit dem Wirkstoff Irbesartan beziehungsweise Losartan von Heumann. Auch bei diesen aktuellen Rückrufen handelt es sich um einzelne kleinere Chargen und nicht um einen Rückruf des Produkts in allen Dosierungen und Packungsgrößen.

Eine Liste aller von Juli 2018 bis 19. Februar 2019 zurückgerufenen Blutdrucksenker hat die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker zusammengestellt. Sie findet sich auf der Seite der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA).

Herstellungsverfahren schuld an der Verunreinigung

Die riskante Verunreinigung ist aller Wahrscheinlichkeit durch eine Veränderung des Herstellungsverfahren von Sartanen entstanden. Die Abwandlung der Produktion fand statt, ohne die Europäische Arzneimittelagentur zu informieren.

Die Krebsgefahr durch N-Nitrosamine ist bisher nur in Tierstudien nachgewiesen. Die WHO stuft die Substanzen aber als mögliches Krebsrisiko für Menschen ein. Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat in einer theoretischen Berechnung auf einen zusätzlichen Krebsfall bei 8000 Patienten geschlossen, wenn diese vier Jahre lang die Höchstdosis von 320 Milligramm täglich an verunreinigten valsartanhaltigen Blutdrucksenkern einnehmen.

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Plötzliches Absetzen ist riskanter als das Krebsrisiko in den Pillen

Wie schon bei der großen Rückrufaktion im Sommer, warnen Mediziner alle Patienten, die umstrittenen Arzneimittel nicht ohne Rücksprache mit ihrem Arzt abzusetzen. Das Risiko von plötzlichen und unkontrollierten Blutdruckspitzen sei dabei um ein Vielfaches höher als durch eine Verunreinigung. Es bestünde auch keine Notwendigkeit, angebrochene Packungen zurückzugeben.

Patienten, die sich dennoch wegen des Krebsrisikos in ihrem Blutdrucksenker Sorgen machen, könnten zunächst beim Apotheker fragen, ob ihr Medikament zu den kritischen Chargen gehört und mit ihrem Arzt über einen Wechsel zu einem anderen Blutdruckmittel sprechen. Dieses müsste dann ein neues Rezept für die verschreibungspflichtigen Medikamente ausstellen.

Die meisten Sartane sind sauber – zumindest bis jetzt

Sartane, die wegen ihrer guten Verträglichkeit und geringen Nebenwirkungen beliebt sind, lassen sich zum Beispiel gut durch ACE-Hemmer ersetzen, die ein ähnliches Wirkprinzip haben. Dazu rät etwa die Deutsche Hochdruckliga.

Auch für das am häufigsten verordnete Sartan, Candesartan, gibt es bislang keine Veranlassung für einen Rückruf. Generell waren für die überwiegende Mehrheit der sartanhaltigen Arzneimittel Verunreinigungen entweder nicht nachweisbar oder nur in sehr niedrigeren Mengen vorhanden.

Die Pharma-Unternehmen müssen jetzt auf saubere Herstellung achten

Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) in der EMA fordert nun von allen pharmazeutischen Unternehmen, die sartanhaltige Blutdruckmittel herstellen, ihre Herstellungsverfahren zu überprüfen. Nach einer Übergangsfrist von zwei Jahren müssen sie nachweisen, dass ihre Blutdrucksenker keine messbaren Verunreinigungen mehr aufweisen, bevor sie in der EU verwendet werden dürfen.

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